JoBooking

Recruiting beginnt im Klassenzimmer

Unternehmen suchen Nachwuchskräfte. Doch wie erreichen sie junge Menschen zielführend? Das Bielefelder Startup JoBooking hat eine digitale Lösung entwickelt, die den schulischen Berufsorientierungs- unterricht mit dem Recruiting der Arbeitgeber verbindet, Kontakte im realen Leben schafft und Ausbildungsstellen besetzt.

Schon während ihres wirtschaftswissenschaftlichen Studiums war Yasemin Kesti klar, dass das Thema Fachkräfte nicht mehr aus ihrem Blickfeld verschwinden wird.

Yasemin Kesti

sagt die Bielefelderin, die von dieser Problematik angetrieben, eine Lösung finden wollte. Zusammen mit Henoch Derar und Tim Strulik hat sie das Startup JoBooking gegründet, dessen Geschäftsidee es ist, neue Wege im Recruiting zu beschreiten. 
„Fakt ist, Unternehmen brauchen Auszubildende, um ihren Fachkräftenachwuchs zu sichern. Es muss also einen Ort geben, wo junge Menschen und Arbeitgeber zusammentreffen“, beschreibt Kesti die Idee.

Dem Team war schnell klar, dass die Lösung des Problems in der Schule liegt. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben sie engmaschig mit Realschulen, Gesamtschulen, Gymnasien und Berufskollegs, Lehrern und Unternehmen Gespräche geführt, um herauszufinden, wo jeweils deren Probleme liegen. „Wir haben festgestellt, dass Schülerinnen und Schüler und Unternehmen zwar oft zur selben Zeit, aber an verschiedenen Orten suchen und meist nicht zueinander finden“, weiß Kesti. Hier setzt ihre Plattform an, die die Bemühungen beider Parteien, zueinander zu finden, unterstützt und Verbindungen schafft. „Wir waren von Beginn an überzeugt, dass wir nicht eine neue Plattform auf den Markt bringen, die alle gleichermaßen abholt. Deshalb haben wir für Schüler, Unternehmen und Lehrer eine individuelle Lösung entwickelt. Dabei war es uns wichtig, eine Anwendung zu schaffen, die einfach zu bedienen ist und den Alltag der Nutzer wirklich erleichtert“, beschreibt die Gründerin die Herausforderung. Um das zu erreichen, haben die Bielefelder die Recruiting-Plattform gemeinsam mit den künftigen Usern entwickelt. 

Entstanden ist eine Lösung, die aus drei Bereichen besteht: ein Lernmanagementsystem für die Schüler und ein Bewerbermanagementsystem für die Unternehmen sowie eine Anwendung für Lehrer, die sich noch in der Entwicklung befindet. Das Lernmanagementsystem für Schüler wird im Berufsorientierungsunterricht, der in allen achten Klassen der weiterführenden Schulen sowie Berufskollegs ein Pflichtfach ist, genutzt. Die Arbeitgeber erhalten über ihr eigenes System Zugang zu JoBooking. Über die Rekrutierungsplattform für Nachwuchskräfte pflegen sie ihr Profil und Stellenanzeigen ein und sind damit sichtbar im Lernmanagementsystem.

Jeder Schüler erstellt über die App seine eigene Bewerbungshomepage, die er deutschlandweit versenden kann. Zusätzlich hat er die Möglichkeit, Unternehmen direkt zu kontaktieren, Praktikumsplätze zu buchen, über seine Stärken und Talente zu berichten und über die Chatfunktion mit den Unternehmen zu kommunizieren.

Besonders kleinere und mittlere Betriebe bekämen durch die Plattform die Möglichkeit, im schulischen Alltag sichtbar zu werden und mit dem Nachwuchs möglichst früh in Kontakt zu treten. Durch die „Präsenz“ in der Schule erreichen sie in ihrer Region zahlreiche Jugendliche direkt und ohne Streuverluste. Sie müssen nicht auf Bewerbungseingänge warten, sondern können die in der Schule erstellten Unterlagen einsehen.

„Sie erhalten so Hunderte von Bewerbungen, ohne teure Inserate schalten zu müssen“, beschreibt Kesti einen wichtigen Nutzen des Bewerbermanagementsystems.
Zusätzlich eröffnen sich ihnen weitere Möglichkeiten, um auf sich aufmerksam zu machen, indem sie auf freie Praktikums- oder Ausbildungsplätze, Veranstaltungen und Messen hinweisen. „Nicht zu unterschätzen ist, dass Unternehmen hier die Chance haben, die jungen Menschen in ihrem Berufsorientierungsprozess über einen längeren Zeitraum zu begleiten.“

Eine Idee, die auf allen Seiten auf Interesse stößt

JoBooking hat mit seinem Geschäftsmodell voll ins Schwarze getroffen. Gut 40 Prozent der Bielefelder Schulen kooperieren bereits mit dem Startup. Anfragen aus anderen Städten, auch über die Region hinaus, gibt es ebenfalls. Und auch bei den Unternehmen ist das Interesse riesengroß. Obwohl die Bewerbermanagementsystem-Lösung offiziell erst im April an den Start geht, haben die Gründer bereits einige Verträge in der Tasche.

„Die Unternehmen suchen seit langem nach Möglichkeiten, um im schulischen Raum Fuß zu fassen, verfügen jedoch selbst nicht über die Ressourcen. Da kommt unsere Plattform zur richtigen Zeit“, freut sich Kesti über die Resonanz.
Schwierigkeiten bei der Anwendung gebe es nicht. „Wir haben eine End-to-End-Lösung entwickelt, die den Nutzer von der Inserierung der Stellenanzeige bis zur späteren Besetzung unterstützt. Die Sparkasse Bielefeld, die Verbundvolksbank OWL und Hettich konnten wir bereits überzeugen. Sie werden künftig JoBooking für ihr Recruiting nutzen.“

Kesti und ihre Mitgründer haben ein Preismodell entwickelt, dass je nach Nutzung der verschiedenen Leistungen die Kosten berechnet. Neben dem Erwerb einer Jahreslizenz können Unternehmen weitere Tools dazubuchen sowie Stellenanzeigen platzieren. „Unsere Lösung ermöglicht ein Bewerbermanagement für ein Jahr direkt bei der Zielgruppe. Außerdem passt sie sich genau an den Bedarf der Unternehmen an. Für große Betriebe mit zahlreichen Praktikumsplätzen ist ein Praktikumsmanagement sinnvoll, kleinere Betriebe mit ein oder zwei Plätzen können darauf verzichten“, sagt die Gründerin, die von der großen Nachfrage erfreut, aber doch ein wenig überrannt wurde. Die vielen Anfragen seien eine große Herausforderung, um den eigenen hohen Qualitätsanforderungen langfristig gerecht zu werden. Deshalb sollen weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig dazukommen, um das siebenköpfige Team zu unterstützen, das bereits weitere Ideen im Kopf hat. So soll das Lernmanagement im nächsten Jahr weiter ausgebaut und die Nutzungsmöglichkeiten für die Schulen erweitert werden. Für die Unternehmen sind ebenfalls zusätzliche Angebote in der Planung.

„Betriebe, die bereits mit Schulen kooperieren, sollen unsere Plattform nutzen können, um ihre schulische Zusammenarbeit auf ein anderes Level zu bringen. Ausgebaut werden soll auch das Praktikumsmanagement. Unternehmen pflegen ihre Termine ein, die von den Schülerinnen und Schüler ganz einfach mit einem Klick, ähnlich wie die Buchung eines Hotelzimmers, wählbar sind.”

Die Bielefelder blicken auch ins Ausland, um hier Schülerinnen und Schüler sowie Studierende anzusprechen. Die Überlegungen gehen dahin, wie mit Sprachzertifikaten und Berufsvorbereitungskursen junge Menschen für den deutschen Arbeitsmarkt generiert werden können. 
Yasemin Kesti ist sich sicher, dass durch JoBooking langfristig auch die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in den Unternehmen weiter steigen wird. „In den letzten Jahren ist die Zahl rückläufig gewesen, weil viele Unternehmen keine passenden Bewerberinnen und Bewerber gefunden haben. Manche haben sich frustriert von der Möglichkeit der Ausbildung abgewendet. Ich bin überzeugt, dass Betriebe, durch ihre permanente Sichtbarkeit in den Schulen und dem damit einhergehenden direkten Kontakt beim Recruiting von Praktikanten und Auszubildenden profitieren“.

Von JoBooking versprechen sich die Gründer zusätzlich noch einen weiteren Impact. „Wir wissen, dass viele Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf ihre spätere Berufswahl orientierungslos sind. Einige verlängern künstlich ihre Schullaufbahn, weil sie sich nicht wissen, was sie tun sollen. Deshalb informieren wir auch über berufliche Ausbildungsmöglichkeiten. Dabei ist es uns wichtig, dass sie erst einmal auf ihre eigene Berufung schauen, und weniger auf die Kompetenzebene. Ich bin sicher, dass sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung entscheiden würden, wenn sie die richtigen Bilder vermittelt bekämen“, ist Yasemin Kesti.

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