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Circular Economy

Nährstoffe für neue Kreisläufe

Immer mehr Unternehmen möchten nachhaltiger wirtschaften. Wie kann der Weg zu einer zirkulären Wertschöpfung aussehen? Die Teilnahme an regionalen Forschungsprojekten kann wichtige Impulse geben.

Eric Adelt weiß genau, was er will. Der Geschäftsführer der IP Adelt GmbH, Hersteller von Ringbüchern aus Kunststoff, möchte auf Nachhaltigkeit setzen und sich dadurch von Mitbewerbern absetzen. Seine Motivation – alle Produkte nach der Nutzung durch den Kunden zurückzunehmen und wiederzuverwenden. „Langfristig erhoffen wir uns dadurch ein Alleinstellungsmerkmal, dass von unseren Kunden honoriert wird, beziehungsweise uns die Geschäftsbeziehung mit besonders auf Nachhaltigkeit achtenden Kunden ermöglicht“, beschreibt der Bielefelder Unternehmer. Eric Adelt war Teilnehmer des Projekts CirQuality OWL, das ihn antrieb, sein Handeln im Sinne einer Circular Economy zu transformieren.
Doch was bedeutet zirkuläre Wertschöpfung im Unternehmensalltag überhaupt und welches Konzept steckt dahinter? „Wir betrachten drei wesentliche Aspekte. Zirkulär bedeutet in Kreisläufen denkend und steht für eine Abkehr von der linearen Wirtschaftsweise, die geprägt ist von `take, make, waste`. Außerdem schauen wir auf den Wert, also den materiellen Gehalt, und drittens geht es um die Schöpfung, also den kreativen Prozess, der entscheidend ist, um die Transformation überhaupt zu ermöglichen. Dieses konsequent umgesetzt, führt dazu, dass Roh- und Wertstoffe am Ende eines Wertschöpfungsprozesses zu Nährstoffen neuer Kreisläufe und hier einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten werden“, sagt Dr.-Ing. Eva Schwenzfeier-Hellkamp. Die Bielefelder Professorin an der Hochschule Bielefeld war maßgebliche Impulsgeberin für das erfolgreiche Projekt CirQuality OWL, das weit über die Region hinaus seine Strahlkraft entfaltet hat. Zusammen mit Klaus Meyer, Geschäftsführer von Energie Impuls OWL, der weitere Branchen-Netzwerke für das Forschungsprojekt mit ins Boot holte, war es das Ziel, Unternehmen in der Region für die zirkuläre Wertschöpfung zu sensibilisieren.

Nehmen im Projekt InCamS@BI die ingenieurwissenschaftliche Perspektive ein: Prof. Dr. Christoph Jaroschek und Prof. Dr. Eva Schwenzfeier-Hellkamp. (Fotos: K. Starodubskij/HSBI)

„Wenn wir jedoch auf die vergangenen eineinhalb Jahre blicken, dann mussten wir gar nicht so viel Überzeugungsarbeit leisten, weil wir von der realen Entwicklung geradezu überrannt wurden. Plötzlich erlebten viele Unternehmen, wie ernst die Lage und wie schwierig es ist, Lieferketten aufrechtzuerhalten“, sagt die Wissenschaftlerin.

Die Ingenieurin weiß, wo in den Unternehmen der Schuh drückt. Viele Betriebe haben in den letzten Monaten ihr Leid geklagt, weil bewährte Vorgänge und Prozesse nicht mehr in der vertrauten Weise aufrechterhalten werden konnten. So wurden in der Vergangenheit häufig Vorserien für die spätere Produktion zur Fertigung nach Asien gegeben, um sie anschließend in Deutschland zu testen. „Einige Betriebe sind von dieser Praxis mittlerweile abgerückt und führen diesen Teil der Produktionsphase nun selbst durch. Durch das Zurückholen dieser wichtigen Kompetenz haben sie sich den Einfluss auf die Wertschöpfung gesichert. Dieses ermöglicht den Einfluss auf die Gestaltung von Materialkreisläufen. Bei einer Fertigung in der Ferne ist das nur bedingt möglich“, so Dr.-Ing. Schwenzfeier-Hellkamp.
Die Wissenschaftlerin, die am Institut für Technische Energie-Systeme (ITES) forscht, ist froh, dass immer mehr Unternehmen erkannt haben, dass unsere Ressourcen nicht endlos sind und damit ein Rohstoffmangel jederzeit drohen und eine existenzielle Gefahr für den Betrieb bedeuten kann. Aber auch wenn die Rohstoffe vorhanden sind, ist längst nicht mehr sichergestellt, dass es einen Zugang zu ihnen gibt.„Die diversen Konflikte und Kriege machen deutlich, wie schnell Wertschöpfungsketten reißen und die Beschaffung von Grundstoffen über lange Transportwege keineswegs sicher ist, unabhängig davon, ob diese verfügbar sind oder nicht“, so Dr.-Ing. Schwenzfeier-Hellkamp, die in dieser Entwicklung auch eine Chance für die Region sieht.

OWL sei ein produktionsstarker Standort, der seine Stärke jetzt noch weiter ausbauen könne. „Wenn wir die Rohstoffe, Materialien, Teile wie Chips und Halbzeuge in Kreisläufen halten und insgesamt die Produktnutzungszeit und -intensität erhöhen, erreichen wir eine gewisse Unabhängigkeit. Das hat im Übrigen auch mit Generationengerechtigkeit zu tun. Wir sind es der nachfolgenden Generation schuldig, langlebige, schadstofffreie Produkte herzustellen. Für mich gibt es keine Alternative zur zirkulären Wertschöpfung. Ich bin glücklich, dass viele Unternehmen mittlerweile auch den Sinn hinter diesem Konzept sehen“, sagt Dr.-Ing. Schwenzfeier-Hellkamp.

Der Umstieg zu einer Circular Economy ist nicht leicht und stellt oftmals einen erheblichen Kraftakt dar. Wer sich auf den Weg macht, der muss sich komplexen Herausforderungen stellen und den Mut haben, zu investieren. Viele Unternehmen starten zunächst damit, den eigenen CO2-Fußabdruck zu bestimmen und fertigen eine Art Ist-Analyse an. Diese Ausgangsanalyse gibt Orientierung, wo die entscheidenden Hebel sind. Weitere wichtige Kennzahlen wie Energieverbräuche, Ressourceneffizienz und Lieferantenauswahl sind ebenfalls Grundlage zur Messung der Verbesserung im Bereich Nachhaltigkeit. Die Erfassung dieser Kennzahlen ist eine erste große Hürde.

„Es geht bei Weitem nicht darum, sich nur die Technik anzuschauen. Und es reicht auch nicht aus, einfach nur ein neues Produkt zu entwickeln. Es bedarf eines völlig neuen Geschäftsmodells, das wiederum neue Fragestellungen aufwirft und beispielsweise Antworten auf rechtliche Aspekte finden muss“, so Schwenzfeier-Hellkamp.

Auch sind andere Formen der Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette und das Beachten der Nutzungsphase beim Aufbau eines Geschäftsmodels nach den Prinzipien der zirkulären Wertschöpfung gefragt. Dazu sind eine intensive Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden sowie neue Kooperationen mit Aufbereitern und Logistikern notwendig. Ebenso bedacht werden muss, wie das Produkt beschaffen ist. Ist es modular aufgebaut, lässt sich eventuell nur eine Komponente austauschen, muss es komplett ins Recycling? Und was geschieht danach?“

Mutig in neue Geschäftsmodelle investieren

Ein völlig neues, disruptives Geschäftsmodell konsequent umgesetzt hat bereits der Elektrogerätehersteller Miele. Die Gütersloher bieten neben dem Verkauf ihrer Waschmaschinen auch die Möglichkeit, im Vorfeld festgelegte Waschleistungen zu erwerben und für diese jeweils nach Nutzung des Geräts zu zahlen. Damit geht Miele zwar in Vorleistung, weil die Investitionen sich erst später auszahlen. Andererseits bietet dieses Geschäftsmodell die Chance, den Kunden zu binden und mit ihm im Austausch zu bleiben. Was im besten Fall dazu führt, dass er weitere Leistungen oder sogar ein neues Gerät kauft.
Noch tun sich viele Unternehmen schwer damit, bei der Transformation zur Circular Economy das Geschäftsmodell mitzudenken, hat Dr.-Ing. Schwenzfeier-Hellkamp beobachtet. Zusätzlich mangele es an der Vorstellung, wie ein solcher Weg genau aussehen könnte.
Im CirQuality OWL-Projekt wurden sogenannte Quick-Checks als erste Orientierung durchgeführt. Dennoch könnten diese nicht auf jede individuelle Situation eines Betriebes eingehen.
„Es reicht nicht aus, einen Quick-Check durchzuführen, den Unternehmen die von uns entwickelten Toolboxen als Leitfaden an die Hand zu geben und sie dann mit der Umsetzung alleinzulassen. Unsere Erfahrung zeigt, dass der Erklärungs- und Diskussionsbedarf groß ist. Wir empfehlen den Weg der kleinen Schritte. Es ist sinnvoll, verschiedene Ideen auszuprobieren, um Erfolge zu erzielen und mutig zu sein, weiter zu gehen“, so die Lehrende der Hochschule Bielefeld.
So wie der Maschinenbauer GEA, der seinen Servicebereich in den Blick genommen hat. Die Idee: Wie lassen sich vorhandene und außerdem geeignete Produkte nach der Nutzung durch den Kunden wieder ins Unternehmen zurückführen? Klar ist, diese Produkte müssen modular sein, über eine gewisse Wertigkeit verfügen, dass es sich für das Unternehmen lohnt, diesen Weg zu gehen und die Produkte zu reparieren, aufzuarbeiten und in den Markt zu bringen.
Dieses Geschäftsmodell hat auch das Unternehmen ZF Friedrichshafen schon vor einigen Jahren entwickelt. Intrinsisch motiviert haben die Bielefelder alte Kupplungsscheiben repariert und aufbereitet. Der Aufwand lohne ich wirtschaftlich, weil nur sehr wenige Rohstoffe bei dem Aufbereitungsprozess verloren gingen und die Kupplung nahezu eins zu eins wieder in den Markt gebracht werde könne, so die Motivation von ZF. Und das ist ein wesentlicher Punkt -¬ auch der Kunde toleriere diese Vorgehensweise.

Einen weiteren positiven Impact im Hinblick auf die Umsetzung von nachhaltigen Maßnahmen verspricht sich die Bielefelder Professorin auch vom Anfang des Jahres gestarteten Forschungsprojekts „Innovation Campus for Sustainable Solutions InCamS@BI“, das von der Hochschule Bielefeld in Kooperation mit der Universität Bielefeld und externen Partnern durchgeführt wird, und insbesondere die Kunststoffbranche adressiert. In dem interdisziplinär ausgerichteten Forschungsprojekt bringen Spezialisten aus den Bereichen Kunststoff, Chemie, Design und Recht ihre Expertise ein.

Der forschungsbasierte Transfer fokussiert auf die Optimierung von Kunststoffanwendungen für die Circular Economy als Beitrag zum Klimaschutz. Während der fünfjährigen Projektlaufzeit wollen die Akteure Ideen generieren, von denen ein Großteil in konkreten Projekten weiterentwickelt werden soll. Zielgruppe sind insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die auf dem Weg der Transformation konkrete Unterstützung und Begleitung erfahren.
Mit dem Projekt richten sich die Bielefelder Wissenschaftler an eine Branche, die einige Bretter zu bohren hat, um den Weg zu einer zirkulären Wertschöpfung erfolgreich zu beschreiten. Es sind nicht die Basiskunststoffe, die bei der Wiederverwendung Probleme bereiten. Vielmehr sind es die Additive und Zusatzstoffe, die den Kunststoffen zugefügt werden, damit die Produkte eine bestimmte technische Eigenschaft haben. Sehr spezifische Anforderungen an diese Kunststoffe haben eine hohe Vielfalt an Kunststoffsorten gebracht, für die es nicht die eine Lösung zur Realisierung der Circular Economy gibt. Eine Aufgabe, die nur schwer lösbar ist. Ähnlich sieht es in der Elektronik aus.

Schwenzfeier-Hellkamp.

Profitieren würden jedoch Unternehmen, die bei der Produktentwicklung den Servicegedanken bereits mitgedacht, permanent den Kontakt zum Kunden / Produkt gehalten und gute Kenntnisse über die Nutzungsphase haben. „Dieses Wissen um den Zustand und den Einsatz des Produktes ist aus meiner Sicht eine gute Ausgangslage für einen vernünftigen Einstieg in die Circular Economy“, sagt die Wissenschaftlerin.
Sie ist hochmotiviert, in dem Projekt InCamS@BI weit über das Thema Recycling hinaus zu blicken. „Es geht um viel mehr. In einen Downcycling-Prozess einzutreten, kann nicht unsere erste Priorität sein. Wir müssen umdenken, wie wir Kunststoffe künftig produzieren und den Mut haben, neue Produkte zu entwickeln. Wir haben die Möglichkeiten, beim Design von neuen Produkten und Verpackungen neue Wege zu gehen. Denn eines ist sicher, Kunststoffe, wie wir sie heute verwenden, sind nicht mehr zeitgemäß. Wir kommen nicht umhin, an der ein oder anderen Stelle eine Änderung der verwendeten Materialien vorzunehmen.“
In der zweiten Jahreshälfte wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die Diskussion mit den Unternehmen gehen und gemeinsam an Lösungen arbeiten, die unterstützen, Kreisläufe zu schließen. Dr.-Ing. Schwenzfeier-Hellkamp ist optimistisch, dass in den kommenden fünf Jahren zukunftsweisende Ideen, von denen sich ein Teil in tragfähige Projekte überführen lässt, entstehen werden.
Und sie ist auch ein wenig stolz auf das bisher schon Erreichte, welches über die Region hinaus immer wieder für Gesprächsstoff sorgt.

„Wir sehen eine große Wertschätzung für unsere Aktivitäten“, sagt die Wissenschaftlerin, die die Region im Hinblick auf die Umsetzung der Circular Economy auf einem guten Weg sieht:„Wir sind anderen Regionen voraus, sind aber noch lange nicht am Ziel. Die Sensibilisierung der Unternehmen ist uns gelungen, es gibt bereits sehr gute Beispiele, jetzt bedarf es der Multiplikation.“

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