Erwerbstätigkeit und Rente

„Mehr Förderung und Wertschätzung Älterer ist geboten“

Weiterarbeiten oder so schnell wie möglich in den Ruhestand gehen? Für welche Option sich Beschäftigte entscheiden, ist nicht nur eine Frage des Geldes. Klaus Morgenstern, Sprecher des Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA), über die Gründe vorzeitigen Ausscheidens und was Arbeitgeber tun können, damit ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger bleiben.

m&w: Im Rahmen ihrer Wachstumsinitiative plant die Bundesregierung verschiedene Anreize, mit denen es gelingen soll, Ältere auch über das Rentenalter hinaus im Erwerbsprozess zu halten. Ihre aktuelle Umfrage zeigt, dass die Anreize länger zu arbeiten, nur ein verhaltenes Echo finden. Woran liegt das?
Klaus Morgenstern: Die Ursachen dafür lassen sich aus unserer Umfrage nicht ableiten. Wir haben aber den Verdacht, dass diese Pläne einfach noch zu wenig bekannt sind. Das zeigen die hohen Anteile in der Befragung bei der Antwort „weiß nicht“. Aus dem Lager der Unentschlossenen könnten also durchaus noch bessere Zustimmungswerte resultieren. Allerdings sehen wir auch, dass der Wunsch, früher aus dem Arbeitsleben auszutreten, durchaus verbreitet ist. Das belegen die Zahlen jener Versicherten, die vor dem gesetzlichen Rentenalter in den Ruhestand gehen und dabei auch Abschläge in Kauf nehmen, weil sie die Bedingungen für den Bezug einer Altersrente noch nicht umfassend erfüllen.

m&w: Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass fast die Hälfte der Neurentner vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheidet. Wo liegen mögliche Ursachen für diese Entwicklung?
Klaus Morgenstern: Das mag verschiedene Gründe haben. Zum einen war die Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre bis 2030 in der Bevölkerung hoch umstritten. Es gibt einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitnehmer, die vor dem Rentenalter ausscheiden wollen. Die Gründe dafür sind immer sehr individuell. Bei den einen ist es eine gewisse Müdigkeit und der Wunsch, eben nicht mehr Tag für Tag zur Arbeit gehen zu müssen. Bei den anderen ist der Job vielleicht auch zu anstrengend. Körperlich schwere Tätigkeiten fallen im Alter von Mitte 60 den Beschäftigten eben deutlich schwerer als in jungen Jahren.

Die Gründe liegen aber zum Teil auch bei den Arbeitgebern. Es mangelt wahrscheinlich noch an der Bereitschaft und am Verständnis, passende Regelungen und ausreichend Einsatzmöglichkeiten für Ältere zu schaffen. Viele würden wahrscheinlich länger im Job bleiben, aber eben nicht zum bisherigen „vollen Programm“. Wir brauchen daher viel flexiblere Arbeitsangebote für Ältere, also zum Beispiel Teilzeitstellen (zwei oder drei Tage in der Woche) oder auch nur Einsätze für zeitlich begrenzte Projekte. Außerdem glaube ich, dass viele Unternehmen zu spät auf die älteren Arbeitnehmer zugehen. Wenn das Rentenalter in unmittelbarer Nähe ist, haben sich die meisten dann schon auf die Rente eingestellt. Es sollten daher von Ende 50/Anfang 60 Gespräche mit ihnen geführt werden, in denen geklärt wird, wie sie sich die letzte Phase ihres Erwerbslebens vorstellen. Dann bleibt Zeit genug, damit sich alle Beteiligten darauf vorbereiten können.

m&w: Was können Unternehmen tun, damit ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger bleiben?
Klaus Morgenstern: Wie schon angedeutet, ist es sinnvoll, beizeiten das Gespräch zu suchen, gemeinsam die letzte Erwerbsphase zu planen, flexible Einsatzmöglichkeiten zu schaffen und die Umsetzung auf andere Arbeitsplätze zu ermöglichen, die körperlich leichter sind oder weniger Stress verursachen. Weitere Maßnahmen können verkürzte Arbeitszeiten und Qualifikationen für Beschäftigte ab 55 und älter sein. Wer mit 60 noch mal was Neues gelernt hat, wird es auch noch eine Weile anwenden wollen.

m&w: Wie groß ist das Engagement der Unternehmen, ältere Mitarbeiter zu fördern?
Klaus Morgenstern: Nach meinen Beobachtungen noch zu gering, auch wenn diese nicht repräsentativ sind. Ich führe mal ein Beispiel aus meiner Familie an. Meine Frau ist Lehrerin und wollte noch einige Jahre weiterarbeiten. Obwohl das Schulamt weiß, wie viele ältere Kollegen in den nächsten Jahren altersbedingt ausscheiden, gibt es keine Bemühungen um einen längeren Verbleib im Arbeitsverhältnis. Meine Frau musste selbst das Gespräch mit Schulleitung und Personalstelle suchen und musste dann auch noch sämtliche Anträge und Erklärungen wie bei einer Neuanstellung ausfüllen. Obwohl sie 43 Jahre beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet hat. So funktioniert es auf keinen Fall. Nun ist die öffentliche Verwaltung sicher kein Beispiel für eine pauschale Verallgemeinerung, aber mehr Förderung und Wertschätzung Älterer ist ohne Frage noch geboten, auch wenn sich da einiges in den zurückliegenden Jahren zum Besseren gewandelt hat.

m&w: Gibt es neben dem finanziellen Aspekt, andere Vorteile länger im Job zu bleiben?
Klaus Morgenstern: Das Finanzielle ist oft nur ein Aspekt, bei den meisten spielen weitere Gründe bei dieser Entscheidung eine Rolle. Das zeigen auch Befragungen, die zu diesem Thema gemacht wurden. Oft werden die sozialen Kontakte genannt, die aufrechterhalten werden sollen. Viele können sich schlicht auch nicht vorstellen, dass sie von heute auf morgen beruflich keine Verantwortung mehr tragen. Einige haben einfach auch nur Lust, weiter eine Arbeit auszuüben.

m&w: Ein Blick auf die Beschäftigten: Sind ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen und sich zum Beispiel weiterzubilden?
Klaus Morgenstern: Ich glaube schon, dass es einen nennenswerten Teil Älterer gibt, die zur Weiterbildung noch bereit sind. Das Problem liegt hier eher beim Arbeitgeber, der sich die Frage stellt, lohnt sich in dem Alter noch eine Freistellung für die Weiterbildung oder gar eine Finanzierung von Kursen? Das ist aber der falsche Ansatz.

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