Rohstoffsicherung und Circular Economy

„Größte Hürde ist der Abfallstatus der Rezyklate“

Um die Circular Economy in der Bauindustrie voranzutreiben, wird über den vermehrten Einsatz mineralischer Bauabfälle und die Nutzung weiterer Sekundärrohstoffe diskutiert. Doch die Barrieren für den Einsatz von Recyclingbaustoffen sind hoch, erklärt Dr. Berthold Schäfer, Geschäftsführer Technik beim Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. und Koordinator der Initiative „Kreislaufwirtschaft Bau“

m&w: Wie hoch ist ungefähr der Anteil aller mineralischen Abfälle, der umweltverträglich verwertet wird und wie kann die „Circular Economy“ weiter vorangetrieben werden?

Dr. Berthold Schäfer: Der Anteil ungefährlicher mineralischer Bauabfälle, der heute umweltverträglich verwertet wird, liegt bei knapp 90 Prozent. Von den im Jahr 2020 insgesamt angefallenen rund 221 Millionen Tonnen mineralischen Bau- und Abbruchabfällen wurden rund 198 Millionen Tonnen einer umweltverträglichen Verwertung zugeführt. Die mineralischen Bauabfälle setzen sich grob unterteilt aus den zwei unterschiedlichen „Fraktionen“ „Boden“ (Bodenaushub) und „körniges Material“ (Bauschutt) zusammen. Die Verwertungsquote liegt beim „Boden“ bei knapp 87 Prozent. Das ist bereits recht hoch, aber noch steigerungsfähig. Beim Bauschutt liegt die Verwertungsquote mit rund 94 Prozent deutlich höher und kann kaum noch gesteigert werden.

m&w: Was wird aus den recycelten Bauabfällen hergestellt und wo liegen derzeit noch die größten Barrieren für den vermehrten Einsatz von Recyclingbaustoffen?

Dr. Berthold Schäfer: Die Abfallfraktion „Boden“ wird für bodenähnliche Anwendungen im Erd-, Tief-, Straßen-, Gleis- und Landschaftsbau eingesetzt. Dazu zählen u. a. Lärmschutzwälle, Deiche, Geländeanhebungen oder auch Verfüllungen ehemaliger Lagerstätten. Etwa zehn Prozent der Fraktion „Boden“ besteht aus Steinen, die bereits beim Aushub – zum Beispiel als Kiesschichten – separat gewonnen und anschließend zu Recycling-Baustoffen verarbeitet werden.
Die „körnigen Bauabfälle“ werden ebenfalls zu Recycling-Baustoffen aufbereitet und dann als rezyklierte Gesteinskörnungen in Baumaßnahmen des Erd-, Tief-, Straßen- und Landschaftsbaus eingesetzt. Darüber hinaus können rezyklierte Gesteinskörnungen teilweise wieder in den Produktbereich zurückgeführt werden, zum Beispiel, um bei der Betonherstellung primäre Gesteinskörnung als Zuschlag zu ersetzen. Diese Rückführung im Sinne der Circular Economy setzt aber voraus, dass die Rezyklate qualitativ geeignet und in der Umgebung von Betonwerken verfügbar sind, um Transportaufwendungen und die damit verbundenen Emissionen zu begrenzen.
Die größte Hürde bei einer Rückführung in den Produktbereich stellt der Abfallstatus der Rezyklate dar, der in Produktionsbetrieben zu erheblichen zusätzlichen Anforderungen führt. Das Bundesumweltministerium arbeitet daher zurzeit an einer Abfallende-Verordnung, die dazu dienen soll, Rezyklate nach der Aufbereitung aus dem Abfallregime zu entlassen. Die bisherigen Vorstellungen des Ministeriums sind allerdings noch nicht ausreichend, um die erforderlichen Vereinfachungen in den Produktionsbetrieben zu erreichen.

m&w: Welche Möglichkeiten gibt es, die Lebensdauer von Bauprodukten zu verbessern?

Dr. Berthold Schäfer: Bei mineralischen Bauprodukten ist bereits von einer Lebensdauer von 80 bis über 150 Jahren auszugehen. Aufgrund der bestehenden hohen Qualität mineralischer Bauprodukte stellt sich die Frage nach einer weiteren Verlängerung der Lebensdauer daher nicht.

m&w: Wie lässt sich der Materialverbrauch im Bau weiter reduzieren?

Dr. Berthold Schäfer: Die Hersteller mineralischer Baustoffe leisten ihren Beitrag zur Schonung natürlicher Ressourcen und zur Materialeffizienz, indem sie ihre Produkte laufend materialtechnisch optimieren. Dabei spielen neben Sekundärstoffen aus dem Abfallbereich auch industrielle Nebenprodukte eine Rolle. Eine Reduzierung des Materialeinsatzes im Baubereich ist allerdings aus gesetzlichen Gründen nicht ohne weiteres möglich. So gibt es im Hochbau zahlreiche bauaufsichtliche Vorgaben, die erfüllt werden müssen, um Brandschutz, Schallschutz, Wärmeschutz und Dauerhaftigkeit zu gewährleisten. Ähnliches gilt im Bereich Tiefbau, zum Beispiel in Bezug auf den materialintensiven Schichtenaufbau von Straßen.
Technisch wäre es durchaus möglich, materialreduzierter zu bauen. Dafür müssten ressourceneffizientere Konstruktionen entwickelt werden, mit denen die Grundanforderungen an Bauwerke weiterhin dauerhaft, aber bei geringerem Materialeinsatz erfüllt werden. Eine entsprechende Anpassung der konstruktiven Grundlagen (u. a. der Eurocodes) ist allerdings ein sehr aufwändiges Unterfangen, bei dem die Sicherheitsbedürfnisse aller europäischen Mitgliedstaaten in Bezug auf Bauwerke erfüllt sein müssen. Eine mittelfristige Anpassung der Konstruktionsregeln, zum Beispiel in Richtung verbesserter Möglichkeiten zur Rückgewinnung und Weiternutzung ganzer Bauteile, zeichnet sich derzeit nicht ab.

m&w: Was bringt eine Einführung von Recyclingquoten?

Dr. Berthold Schäfer: Als Verband, in dem die Hersteller von Primär- und Sekundärmaterialien organisiert sind, lehnen wir Rezyklateinsatzquoten im Produktbereich ab. Die Sekundärmaterialien werden bereits einer umweltverträglichen Verwertung zugeführt und ersetzen damit ansonsten erforderliche Primärmaterialien. Durch Quoten würde daher nur eine Umlenkung der Recycling-Baustoffe in die Bereiche erfolgen, in denen solche Quoten zu erfüllen wären. Dadurch würden aber keine Primärmaterialien eingespart werden. Da der jährliche Bedarf an Gesteinskörnungen das Aufkommen an Recycling-Gesteinskörnungen um den Faktor sieben deutlich übersteigt, können anspruchsvolle Rezyklateinsatzquoten ohnehin nicht erreicht werden, denn so viele mineralische Bauabfälle fallen gar nicht an. Rezyklateinsatzquoten sind nur in solchen Industriebereichen interessant, in denen noch keine nahezu vollständige umweltverträgliche Verwertung von Sekundärmaterialien stattfindet.

m&w: Können Sie an einem Beispiel festmachen, wo bzw. wie die Umsetzung von geschlossenen Materialkreisläufen und Recycling bereits gelungen ist.

Dr. Berthold Schäfer: Ein Paradebeispiel für eine gelungene Umsetzung geschlossener Materialkreisläufe ist der sogenannte Ressourcenschonende Beton (R-Beton). Beim R-Beton wird ein Anteil der primären Gesteinskörnung durch Recycling-Gesteinskörnung ersetzt. Beton, der beim Rückbau von Bauwerken anfällt, wird zu Recycling-Gesteinskörnung aufbereitet und erneut im Beton – nun für das nächste Bauwerk – eingesetzt. Ein vergleichbarer Kreislauf ist im Bereich der Bitumenindustrie etabliert. Dort wird bituminöser Straßenaufbruch aufbereitet und für die Herstellung von Bitumen für das nächste Straßenbauprojekt eingesetzt. Im Jahr 2020 wurden von den hergestellten knapp 77 Millionen Tonnen Recycling-Baustoffen 15 Millionen Tonnen in geschlossenen Kreisläufen für die erneute Herstellung von Asphalt und Beton eingesetzt. Der Anteil könnte erhöht werden, wenn Hürden beim Umgang mit Sekundärmaterialien, wie die Abfalleigenschaft von Rezyklaten, abgebaut würden.

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