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Serie: Wissenstransfer

Wissenstransfer – ClipHut

In unserer Serie berichtet Prof. Dr. Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn (TecUP), über erfolgreiche Ausgründungen und den Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft.

Der schnelllebige Lebensstil in der Gesellschaft spiegelt sich auch in unserer Beziehung zu Möbeln wider. Beim Kauf von Möbelstücken wird immer weniger auf Langlebigkeit und Qualität gesetzt, kaum mehr wird sich für hochwertige Möbel aus regionaler oder nachhaltiger Produktion entschieden. Möbel sollen hauptsächlich günstig sein und zum aktuellen Einrichtungsstil passen. Der Begriff „Fast Furniture“ beschreibt Möbelstücke, die in der Regel kostengünstig und oft von minderer Qualität sind, um den ständig wechselnden Geschmack und die Bedürfnisse von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu treffen. Der Aufstieg der sogenannten „Wegwerfmöbel” ist ein Phänomen, das durch die zunehmende Konsumgesellschaft und die Verbreitung von Trends angetrieben wird.

Das Startup ClipHut hat es sich zum Ziel gesetzt, der „Wegwerf“-Kultur in der Möbelindustrie entgegenzuwirken. Es bietet ein flexibles Holzbausystem an, das sich einfach montieren und demontieren lässt. Basierend auf einem Regalsystem können mit nur wenigen Handgriffen ohne Schrauben oder Kleber weitere Möbelstücke gebaut werden. Das aus bis zu 70 Teilen bestehende Set wird zusammen mit vier verschiedenen Aufbaumöglichkeiten geliefert und passt sich so den Bedürfnissen und Räumlichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer an. Auf andere Weise zusammengesteckt wird beispielsweise aus einem Bücherregal ein Sideboard. Weitere Varianten können die Nutzerinnen und Nutzer selbst entwickeln und individuell anpassen. Die notwendige Stabilität für die Möbel entsteht dabei durch die durchdachte Steckweise. „Wir wollen der ‘Fast Furniture Mentalität’ entgegenwirken, für mehr Bewusstsein und Wertschätzung gegenüber den Dingen, die wir besitzen, und der Umwelt“, so das Gründerteam von ClipHut.
Möbelstücke anzubieten war jedoch nicht ihre ursprüngliche Idee. Das Gründerteam besteht aus Thomaz da Silva Lopes Vieira und Mona Makebrandt. Thomaz hat Architektur und Stadtplanung in Rio de Janeiro studiert und nach zehnjähriger Berufserfahrung entschieden, einen Master in Integrated Design mit der Spezialisierung Computational Design an der Technischen Hochschule OWL in Detmold zu studieren. Hier arbeitete er gemeinsam mit weiteren Studierenden 2016 an einem Architekturprojekt. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise wurde kurzfristig eine große Zahl an Unterkünften benötigt. Es entstand die Idee, mit einem steckbaren Holzkonstruktionssystem einfach und schnell kleine Häuser aufzubauen. Um an Thomasz‘ Idee festzuhalten und sie weiterzuentwickeln, kam Mona Makebrandt als Co-Founderin hinzu. Sie studierte am Kreativ Campus in Detmold der TH OWL den Master of Arts in Innenarchitektur. Während der Coronapandemie kam ihnen die Idee, dieses Stecksystem auf Möbel anzuwenden. Das ursprünglich für den Hausbau gedachte System wurde kurzerhand kleiner skaliert und für den Bau einer Trennwand im Homeoffice genutzt.

Neben persönlichem Coaching bietet unser Gründungsinkubator garage33 dem Team Workshops, in denen es sich zu gründungsspezifischen Fachthemen weiterbilden kann. Hier konnte es sich vor allem im Bereich Social Media, Content Erstellung und zu Online Marketing-Themen weiterbilden. Zudem steht ClipHut hier ein eigenes Büro zur Verfügung. Das Social Startup konnte bereits von einer zwölfmonatigen Förderung durch das Gründerstipendium des Landes NRW profitieren. Weiterhin ermöglichte der Gewinn beim hochschulinternen Ideen-Wettbewerb „KickStart@TH OWL“ ihm den Bau eines Möbel-Prototyps. Dieses  innovative Möbelstecksystem durfte das Team auf Designevents, wie der Detmold Design Week und auf der Vienna Design Week ausstellen. Hier traf es auf viel Zuspruch und wertvolles Feedback. Ein weiterer großer Erfolg war die Ausstellung auf der Dutch Design Week im vergangenen Herbst, wo es seine Idee einem internationalen Publikum präsentieren konnte. Im Mai 2023 launchte der Onlineshop von ClipHut. Die Möbelsets werden jeweils individuell auf Kundenanfrage hergestellt. Diese bewusste Entscheidung erhöht zwar die Lieferzeit, vermeidet jedoch Retouren und Überproduktion und verringert mit der Produktion und Auslieferung verbundene Emissionen sowie Müll.
Als nächste Schritte möchte das Team weitere Kunden von seiner Idee begeistern, weitere Möbelstücke produzieren und mit Online-Kampagnen auf Social Media seine Aufmerksamkeit steigern. Gleichzeitig arbeiten die Gründer stetig an ihrer Idee weiter. Neue Produktfeatures sollen hinzukommen. In den kommenden Jahren soll das Produktportfolio um Module zum Hausbau erweitert und „ClipHut“ („zusammengesteckte Hütte“) Wirklichkeit werden.

Das Gründerteam bedient eine spannende Branche, die immer mehr im Fokus der Bewegung hin zu mehr Nachhaltigkeit steht. Möbelhersteller stehen vor einer großen Aufgabe, die Gesellschaft weg von günstigen Trendprodukten, hin zum bewussten Kaufen von Möbelstücken zu lenken – denn Verbraucher denken beim Thema Nachhaltigkeit womöglich nicht zuerst an ihre Möbel. Mit der Idee Möbel „wiederzuverwenden“ hat das Team ein Geschäftsmodell entwickelt, das in eine verantwortungsbewusstere Zukunft investiert.

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