Der Energiedienstleister Westfalen Weser arbeitet an der Energiewende der Region. Um den Wandel umzusetzen, muss auch er sich transformieren und in Teilen neu erfinden.
Energie galt viele Jahre als ein stetiges und sicheres Geschäft. Dort, wo Energie war, siedelten sich Menschen und Unternehmen an. Neue Energieinfrastruktur wurde dort aufgebaut, wo Gewerbe und Industrie produzierten, um zentral und über kurze Leitungen die Energieversorgung sicherzustellen. Doch das gilt längst nicht mehr. Die gesamte Welt befindet sich im Wandel und mit ihr auch die Erzeugung und Nutzung von Energie. „Heute befinden sich Großkraftwerke in Nord- und Ostsee, Offshore-Windparks produzieren dort Energie. Energieerzeugung und Energieverbrauch sind räumlich und zeitlich entkoppelt. Für eine sichere Versorgung braucht es andere Leitungen als früher und effiziente Speicher, um zum Beispiel die großen Rechenzentren rund um die Uhr mit Energie zu versorgen. Das gelingt nur mit mehr Intelligenz und weiterer Digitalisierung der Netzinfrastruktur“, sagt Jürgen Noch, Geschäftsführer von Westfalen Weser. In den nächsten zehn Jahren will der kommunale Energiedienstleister einen Millionenbetrag investieren, um als Systemmanager die Netze in Echtzeit steuern zu können.
Mit der Investition in eigene Kommunikationsnetze setzt das Unternehmen einen weiteren Impuls zur Stärkung der Resilienz und Unabhängigkeit der kritischen Infrastruktur.
Westfalen Weser, an dem 57 Kreise und Kommunen beteiligt sind, hat sich viel vorgenommen, um die Energiewende in der Region zu gestalten. Damit dieses gelingt, hat man sich strategisch neu ausgerichtet, neue Geschäftsfelder entwickelt und vorhandene Angebote erweitert. Das Unternehmen ist schon lange nicht mehr nur als Netzbetreiber und Anbieter von energienahen Dienstleistungen in Ostwestfalen-Lippe und Süd-Niedersachsen tätig. Mittlerweile engagiert es sich auch in der Erzeugung und Speicherung von erneuerbarer Energie in der Region. Der Einstieg in die Vermarktung ist ein weiteres Ziel.
Dabei streben die Paderborner eine möglichst große Unabhängigkeit an. „Wir möchten die Energiewende autark umsetzen und bauen den Handel und Vertrieb von erneuerbarer Energie aus der Region für Privat-, Gewerbe- und Industriekunden weiter aus. Strom, den wir hier in der Region erzeugen, muss nicht über die Netze von Südlink und Tennet geleitet werden. Das macht uns unabhängig und damit positionieren wir uns als verlässlicher Partner für unsere Kunden, der in der Lage ist, die Energieversorgung jederzeit sicherzustellen“, ist Jürgen Noch überzeugt. Das setze jedoch voraus, dass Bürger und Unternehmen diesen Weg mitgehen.
Neben Akzeptanz brauche es auch neue Technologien und Innovationen.
Daran arbeitet der regionale Energieversorger mit Tatkraft. Das Wasserstoffprojekt „schlafender Riese“ in Lichtenau ist nur ein Beispiel für die Innovationsstärke der Paderborner. Hier soll ab dem ersten Quartal 2027 ein zehn Megawatt Elektrolyseur überschüssige Windenergie für die Erzeugung von grünem Wasserstoff nutzen, um die lokale Industrie sowie Wasserstofftankstellen zu versorgen. Zusätzlich wird die netzdienliche Speicherung erprobt, um eine Abregelung der lokalen Windkraftanlagen schrittweise zu verringern.
Zukunftsweisend ist auch die Installation von digitalen Ortsnetzstationen, die als Augen und Ohren des Netzes Engpässe erkennen, Echtzeitdaten liefern und proaktives Handeln ermöglichen. Die Entwicklung einer Softwareplattform gilt als ein weiterer Schritt, um Energie intelligent zu verteilen. Sie erkennt Flexibilität von Speichern, Wärmepumpen oder Wallboxen. Damit wird Energie nicht nur verteilt, sondern intelligent gesteuert. Mit der Investition in eigene Kommunikationsnetze setzt das Unternehmen einen weiteren Impuls zur Stärkung der Resilienz und Unabhängigkeit der kritischen Infrastruktur. „Damit werden wir zum aktiven Gestalter der Energiewende. Wir bauen nicht nur Kabel. Wir bauen Intelligenz“, so Thorsten Gross, Leiter Netzdigitalisierung bei Westfalen Weser Netz.

Innovationen sieht man in Paderborn nicht als Einzelprojekt, sondern als einen ganzheitlichen Ansatz. „Neue Themen und Trends gehen wir langfristig an“, so Katja Voss, Leiterin Strategische Geschäftsfeldentwicklung bei Westfalen Weser. Kooperationen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, mit Unternehmen und Kommunen sind ein Instrument, um neue Wege zu gehen. Gleichzeitig komme es auch auf die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. „Unsere Neuausrichtung verändert unsere Berufsbilder, unsere Anforderungen. Wir wachsen mit diesen Veränderungen“, sagt Nicola Wittland, Leiterin Personalgewinnung und -entwicklung.
Die strategische Neuausrichtung hatte einen weitreichenden Einfluss auf die Unternehmenskultur, wie Jürgen Noch betont: „In einer zunehmend komplexen und dynamischen Welt müssen wir lernen, schneller zielführende Entscheidungen zu treffen, gewohnte Wege zu verlassen und uns manchmal sogar in Teilen neu zu erfinden. Wir haben uns gefragt, welche Strukturen es braucht und mit welchen Menschen wir uns dem Wandel stellen wollen. Um unsere strategischen Ziele zu erreichen, müssen wir unsere Unternehmenskultur zielgerichtet weiterentwickeln.“ Für den Westfalen Weser-Chef ist dies eine klare Frage von Haltung und Werten, die auch die Führung, Rekrutierung und Personalentwicklung beeinflussen. „Werte verbinden uns, sie sind ein Anker und Kompass und geben die Richtung vor.“