Die Arbeitswelt im Wandel:

So bleiben KMU mit einer dynamischen Belegschaft erfolgreich

In den letzten Jahren hat sich die Arbeitswelt weltweit tiefgreifend verändert. Während ältere Generationen oft Jahrzehnte in ein und demselben Unternehmen verbrachten und ihrem Arbeitgeber treu blieben, sind moderne Arbeitskräfte viel flexibler und wechseln häufiger ihre Jobs. Dieser Trend zur Dynamik in der Belegschaft stellt auch mittelständische Unternehmen in Westfalen vor neue Herausforderungen – besonders solche außerhalb der Einzugsbereiche großer Städte. Die Fähigkeit, auf diese Veränderungen zu reagieren und eine dynamische Belegschaft erfolgreich zu integrieren, kann den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Gastautor Patrik Rendel, Regional Manager DACH & CEE beim Top Employers Institute, beschreibt, wie sich KMU auf den Wandel vorbereiten und ihn als Chance begreifen können – und mit welchen überholten HR-Prinzipien sie dabei auch brechen müssen.

Die Dynamische Belegschaft

Eine dynamische Belegschaft definiert sich nicht allein über flexible Arbeitskräfte und hohe Fluktuation. Vielmehr umfasst sie auch eine Mischung aus festangestellten Mitarbeitenden, Freiberuflern, Gigworkern – freiberuflich Tätige, die kleine, zeitlich befristete Aufträge übernehmen, sogenannte „Gigs“ – und Langzeitauftragnehmerinnen und -nehmern. Diese Vielfalt ermöglicht Unternehmen eine flexible Anpassung an wechselnde Marktanforderungen. Herausforderung: Im Gegensatz zu traditionellen Arbeitskräften, die auf Stabilität und langfristige Beschäftigung setzten, sucht eine moderne, heterogene Belegschaft nach neuen Chancen, besseren Arbeitsbedingungen und mehr Autonomie. Mittelständische Unternehmen können von dieser Entwicklung durchaus profitieren, indem sie flexible Arbeitsmodelle und eine inklusive Unternehmenskultur fördern.
Basierend auf den Daten unserer Best-Practices-Umfrage lassen sich vier Empfehlungen an Unternehmen aussprechen, wie sie mit einer sich ständig verändernden Belegschaft Schritt halten und das Engagement der Mitarbeitenden fördern können, um so den Erfolg des Unternehmens zu sichern – aber ohne dabei ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vernachlässigen. Für die Umfrage „HR Best Practices Survey 2024“ hat das Top Employers Institutedie Antworten von mehr als 2.300 Teilnehmenden weltweit und aus 26 verschiedenen Branchen ausgewertet.


ÜBER DEN AUTOR

Patrik Rendel ist seit 2017 Teil des Top Employers Institute und seit 2020 Regional Manager für DACH & CEE. Mit seiner jahrelangen Erfahrung im HR-Bereich ist er Experte für die Themen der aktuellen Arbeitswelt. KI, New Work und Digitalisierung sind für ihn nicht nur Trends, sondern Konzepte seiner wertegetriebenen alltäglichen Arbeit. Seine Mission beim Top Employers Institute ist es, für eine bessere Arbeitswelt zu sorgen und dabei Unternehmen bei ihrem Streben nach Exzellenz mit Best-Practice-Beispielen zu unterstützen.


Empfehlung 1: „Bezieht alle mit ein – auch Zeit- und Leiharbeitende“

Für mittelständische Unternehmen ist es essenziell, alle Mitarbeitenden, unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus, gleichwertig zu behandeln. Unsere Daten und Studien zeigen, dass Unternehmen mit einer integrativen Personalpolitik ein höheres Mitarbeiterengagement verzeichnen, darüber wirtschaftlich erfolgreicher sind und in der Summe auch eine positive Gesamtkultur des Unternehmens fördern. Wenn temporäre Mitarbeitende im Vergleich zu Festangestellten gleich bewertet und behandelt werden, entsteht ein Pool engagierter und gut integrierter vorübergehend Beschäftigter. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen auch diesen Beschäftigten den Zugang zu verschiedenen HR-Angeboten ermöglichen sollten wie etwa Onboarding-Prozesse oder die Teilnahme an Organisations- und Teamveranstaltungen oder Schulungen.
Top Employer mit hohem Mitarbeiterengagement haben eine um 12 Prozentpunkte höhere Akzeptanzrate als solche mit geringerem Mitarbeiterengagement. Und: Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter von heute könnten die feste Kraft von morgen sein. Wer hier als Unternehmen aus der Gruppe der Arbeitgeber heraussticht, punktet beim Werben um neue Talente.

Empfehlung 2: „Unterstützt die Mitarbeitenden in ihrer beruflichen Entwicklung“

Die Förderung der Eigenverantwortung in der Karriereentwicklung ist ein weiterer Schlüssel zum Erfolg. Um sicherzustellen, dass sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter in der Lage fühlt, seine eigenen Ambitionen zu verwirklichen, können Unternehmen etwa Online-Ressourcen anbieten, die Mitarbeitende eigenständig nutzen können. Solche Ressourcen helfen den Mitarbeitenden, ihre nächsten Schritte individuell und in ihrem eigenen Tempo zu erkunden. Interaktive Karriereportale mit kompetenzbasierter Selbsteinschätzung und relevanten Entwicklungsinstrumenten sowie ein interner digitaler Karrieremarktplatz zur Unterstützung der internen Mobilität und der beruflichen Entwicklung können dabei weitere wichtige Angebote sein.
Auch Mentoring und Coaching haben sich als wirksam erwiesen und sind ein einfacher Weg, um die Beschäftigten in der Umsetzung ihrer individuellen Ziele zu unterstützen. Spezielle Unterstützung für die berufliche Entwicklung durch Karriereberater oder Karriereworkshops sollte allen Mitarbeitenden zur Verfügung stehen, um Ratschläge für die nächsten Karriereschritte zu erhalten. Als hilfreich hat sich hierbei auch die Bildung von Mentorennetzwerken, die Mentees mit mehreren Mentoren in Kontakt bringen und das Peer-Learning fördern, gezeigt.
In der Summe belegen unsere Daten, dass Top Employer, die ihre Mitarbeitenden aktiv in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen, ein höheres Mitarbeiterengagement, mehr interne Beförderungen und eine höhere Rentabilität verzeichnen.

Empfehlung 3: „Fördert das selbstgesteuerte Lernen“

Die Fähigkeit, sich kontinuierlich weiterzubilden, ist in der heutigen schnelllebigen Arbeitswelt unerlässlich – aus Sicht der Beschäftigten, aber auch aus der des Unternehmens: Drei von Vier Unternehmen haben Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen, weil die vorhandenen Talente nicht über die richtigen Fähigkeiten verfügen.Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden nicht helfen, sich weiterzubilden und umzuschulen, riskieren, vorhandene Talente an die Konkurrenz zu verlieren. 48 Prozentder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden ihren derzeitigen Arbeitsplatz aufgeben, wenn sie anderswo bessere Ausbildungsmöglichkeiten finden könnten.Das Weltwirtschaftsforum sagt zudem voraus, dass zwischen 2023 und 2027 44 Prozent der Kernkompetenzen von Arbeitnehmern nicht mehr vorhanden sein werden. Das bedeutet, dass fast die Hälfte der Fähigkeiten, die die Arbeitskräfte heute mitbringen, morgen nicht mehr nützlich sein werden. Um erwerbstätig zu bleiben, müssen die Menschen neuere, relevantere Fähigkeiten erwerben.

Daher sollten Unternehmen sicherstellen, dass sie eine Umgebung erstellen und eine Atmosphäre schaffen, in der das Lernen in den Vordergrund rückt – allen voran das selbstgesteuerte Lernen im Betrieb. Erfolgreiche Tools können zum Beispiel kostenlos zur Verfügung stehende Online-Schulungsprogramme, ein auf die Lernbedürfnisse oder -präferenzen der Mitarbeitenden abgestimmtes Lernportal oder in alltägliche Aktivitäten eingebundene Microlearning-Inhalte sein. Best practices unserer internationalen Top Employers zeigen eine Talentbindung von bis zu 97 Prozent durch das Angebot solcher oder ähnlicher Maßnahmen.

Empfehlung 4: „Gestaltet einen reibungslosen Übergang in die und aus der Organisation“

Beim Onboarding haben Unternehmen in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht. Anders sieht es beim Offboarding aus, also wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Unsere Daten zeigen hier, dass zwar 69 Prozent der Top Employer das Onboarding-Erlebnis bereits verbessert haben, ihren Offboarding-Prozessen aber deutlich weniger Aufmerksamkeit schenken oder ihnen Prioritäten zuweisen. Doch ein strukturierter Onboarding- und gleichermaßen auch Offboarding-Prozess ist entscheidend für den Erhalt eines positiven Arbeitsumfelds. Ein gutes Offboarding hinterlässt einen bleibenden Eindruck und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ehemalige Mitarbeiter später wieder ins Unternehmen zurückkehren. Wir wissen, dass mehr als ein Viertel der neu eingestellten Fachkräfte sogenannte Bumerang-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind, die nach einer Zeit außerhalb des Unternehmens zurückkehren.

Ein gelungenes Offboarding hat vor diesem Hintergrund drei wesentliche Vorteile: Erstens zeigt es die Dankbarkeit gegenüber den ausscheidenden Mitarbeitenden. Zweitens bieten sie die Möglichkeit, als Unternehmen zu lernen und sich zu verbessern und das als Teil einer ganzheitlichen Strategie des Zuhörens. Und drittens bilden sie die Grundlage für eine spätere Wiedereinstellung. Durch organisiertes Offboarding schafft ein Unternehmen eine Gruppe von Mitarbeitenden, die wissen, dass sie mit Respekt behandelt wurden, und die bereit sind, zurückzukehren.

Fazit

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