Modernste Technologie ist notwendig, damit der Mittelstand wirtschaftlich produziert und wettbewerbsfähig bleibt. Wie sich mit niedrigen Investitionen und wenig eigenem Know-how der Weg erfolgreich beschreiten lässt, zeigen die Universität Bielefeld und das Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo.
Wer das Labor des Forschungszentrums Cognitive Interaction Technology (CITEC) betritt, dem fallen die Roboter sofort in den Blick. Sie verfügen über mehrere Arme, sind mit Kameras und Sensoren ausgestattet. Künftig sollen sie noch um verschiedene Assistenzsysteme erweitert werden. Einsatzbereit sind sie schon jetzt. Hier befindet sich der Arbeitsplatz von Professor Dr. Klaus Neumann, Leiter der AG Kollaborative Robotik, eine gemeinsame Initiative der Universität Bielefeld und des Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo. Ziel des gemeinsamen Engagements, Mittelständler beim Einsatz von Robotertechnik zu unterstützen und damit die Automatisierung ihrer Produktionsprozesse voranzutreiben. „Die großen Player fertigen oftmals in großen Serien und mit einer wenig umfangreichen Variantenvielfalt. Investitionen in teure Kameras, in hochpräzise Fixationen, um bestimmte Objekte genau dort zu halten, wo sie benötigt werden, sind hier selbstverständlich“, sagt Professor Neumann, der seit dem vergangenen Jahr im CITEC tätig ist. Das sei nicht die Realität von KMU, so der Wissenschaftler.
„Der Anteil von Automatisierung ist hier immer noch sehr gering. Das ist umso erstaunlicher, da kleine und mittlere Unternehmen die größte Wertschöpfung erzielen.“ Neumann sieht noch ein weiteres Problem, das den Handlungsbedarf in Richtung Automatisierung erhöht.
„Der bereits existierende Fachkräftemangel verlangt eine schnelle Reaktion. Früher konnten die Betriebe mit viel Personal effektiv und gut produzieren. Das ist mit dem demografischen Wandel nicht mehr möglich. Um die Produktivität dauerhaft aufrechtzuerhalten, führt kein Weg an Automatisierungslösungen vorbei“, sagt Professor Neumann.
Er weiß, dass die Hürden für den Einstieg in die Robotertechnologie im Mittelstand hoch sind. Die immensen Kosten, die Komplexität und die aufwendige Programmierung stellen Hemmnisse dar. Dr. Klaus Neumann und seine Kollegen wollen eine Alternative bieten und haben eine eigene Lösung entwickelt – Low Cost Robotics ist das Schlüsselwort. Die Idee dahinter: die gewünschten Automatisierungslösungen von Menschen lernen zu lassen. Beim sogenannten Imitations- oder Bestärkungslernen erfolgt die Erfassung der Daten mithilfe von Demonstrationen. Auf Basis von Bildern und anderen gesammelten Daten imitiert der Roboter einen manuell ausgeführten Prozess. „Dabei werden wir von neuen Technologien wie die Large Language Modelle und Transformer Architekturen in die Lage versetzt, ein stückweit aus diesen Daten zu lernen und zu generalisieren. Mit natürlicher Sprache und natürlichen Gesten sowie dem Vormachen von Expertinnen und Experten lässt sich so ein System programmieren, das in der Praxis einfacher einsetzbar ist“, erklärt der Wissenschaftler. Hier werde zwar nicht die Präzision erreicht, wie sie von den großen Industrierobotern bekannt ist. Fehlende Genauigkeit würde jedoch mithilfe von maschinellem Lernen ausgeglichen, so Dr. Klaus Neumann:
„Die Anfangsinvestitionshürde wird gesenkt, Unternehmen kommen mit geringerem finanziellen Aufwand ins Spiel. Gleichzeitig reduziert sich die Zahl der benötigten Experten, da auch diese aufgrund des Fachkräftemangels nicht leicht zu beschaffen sind. Mittelständler können also moderne Technologie mit wenig Know-how nutzen.“
Die Forschenden in Bielefeld und Lemgo arbeiten zurzeit an der entsprechenden Infrastruktur. In Workshops können Mittelständler künftig mit dem Thema Robotertechnologie auf Tuchfühlung gehen und ihr spezifisches Problem direkt vor Ort lösen. „Die Betriebe sollen mit unserer Unterstützung schnell ins Doing kommen. Deshalb haben wir bereits fertige Strukturen geschaffen. Dabei zeigt sich sehr schnell, ob sich die Automatisierung umsetzen lässt oder nicht“, so der Professor. Normalerweise sei das Prozedere enorm aufwendig. Roboter müssten für eine komplexe Herausforderung zunächst aufgebaut sowie das Setting und Design vorbereitet werden.
Das Interesse an der „kostensparenden Automation“ ist groß. Unternehmen aus der Metallbearbeitung, aus verschiedenen Fertigungsbereichen und dem Handwerk seien offen für eine Kooperation, ist Neumann überzeugt. Seine Kontakte in die Industrie spiegelten dieses zurück.
„Betriebe aus dem produzierenden Gewerbe, deren „Handgriffe“ noch nicht automatisiert sind, können von dieser Technologie profitieren“, so Dr. Neumann.
Gleichzeitig nimmt er eine wachsende Bereitschaft, in neue Technologie zu investieren, wahr. Viele Unternehmen hätten verstanden, dass sie der einzige Weg sei, um unser Wohlstandsniveau zu halten. Schließlich gebe es weitere gigantische Herausforderungen wie den Klimawandel, die nach Lösungen verlangten. „Wir müssen alles nutzen, was uns helfen kann“, so Klaus Neumann.
Um wirtschaftlich zu produzieren, braucht es Robotik
Deutschland ist in der Robotik gut aufgestellt. Die Zukunftstechnologie befindet sich in einem starken Wandel, der durch den Hype der künstlichen Intelligenz besonders befeuert wird.
„Der Einfluss der KI auf die Robotik ist groß“, so Neumann.
Das zeige sich auch in dem von der Bundesregierung geschaffenen Robotics Institute Germany (RIG), einem dezentralen Zusammenschluss mehrerer Institutionen mit Expertise in der KI-Robotik, in dem auch die Universität Bielefeld und das Fraunhofer IOSB Partner sind. Während die Bielefelder sich auf die kognitiven Aspekte der Robotik und das Manufacturing fokussieren, beschäftigt sich das Fraunhofer Institut u.a. mit der Dekontaminationsrobotik. Für Professor Neumann ist diese Kooperation der beiden in der Region ansässigen Institutionen ein Glücksfall und eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Die Universität Bielefeld profitiere von der Verbindung in eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Das Fraunhofer IOSB-INA wiederum nutze die Nähe zu den erfolgreichen Robotikern und schlage eine Brücke von der grundlagenforschungstechnisch orientierten Uni in den Mittelstand, der für sein operatives Geschäft Unterstützung bei der Einführung der Automatisierung benötigt.
Auf die kommenden drei bis fünf Jahr blickt der Wissenschaftler mit einer gewissen Faszination: „Wir stehen vor unglaublich spannenden Zeiten, weil gerade mehrere Felder durch die KI aufgerollt werden.“ In den letzten Jahren hat sich bereits vieles getan. Mit dem Aufkommen leistungsfähigerer Computer und größerer Datenmengen begann die künstliche Intelligenz, reale Anwendungen in verschiedenen Bereichen zu finden. Kennzeichnend für diesen Zeitraum ist die Integration von KI in alltägliche Technologien und Dienstleistungen. Computer können sprechen und natürliche Sprache verstehen.