spot_img

VERANSTALTUNGSMANAGEMENT

„Nachhaltigkeit ist ein Prozess der ständigen Verbesserung“

Dr. Markus Große Ophoff, Leiter DBU Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und Honorarprofessor für Veranstaltungsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation an der Hochschule Osnabrück, über die Umsetzung nachhaltiger Events, die Bedeutung von wirkungsvoller Nachhaltigkeitskommunikation und die Zunahme von Künstlicher Intelligenz in der Veranstaltungsbranche.

Ab 2026 müssen viele Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft erstmals über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten und im Geschäftsbericht für 2025 ihr Engagement gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive nachweisen. Neben dieser Verpflichtung bringt der European Green Deal weitere Regelungen mit sich, darunter Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und Anforderungen an die Energieeffizienz. Wie ist die Branche darauf vorbereitet und wo liegen die größten Herausforderungen?

Dr. Markus Große Ophoff: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU erweitert die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auf deutlich mehr Unternehmen als bisher. In Deutschland steigt die Zahl der betroffenen Unternehmen von etwa 500 auf rund 15.000 an. Es ist aber schwierig abzuschätzen, wie sehr die Veranstaltungsbranche davon betroffen ist, denn sie ist traditionell von vielen kleineren und mittleren Unternehmen geprägt. 
Ab 2026 sind alle Unternehmen berichtspflichtig, die börsennotiert sind (außer Kleinstunternehmen) und die zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeitende, 50 Millionen Euro Umsatz oder 25 Millionen Euro Gesamtvermögen. Die berichtspflichtigen Unternehmen müssen Bericht darüber erstatten, wie sich ihr Geschäftsmodell auf die Nachhaltigkeit auswirkt und wie externe Nachhaltigkeitsfaktoren ihre Tätigkeit beeinflussen.
Eine entsprechende Analyse hilft nach meiner Einschätzung sehr vielen Unternehmen weiter, um die eigenen Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu gestalten. Die Berichtspflichten werden die Unternehmen, die sich ohnehin bereits mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt haben, auch nicht vor große Herausforderungen stellen.


Prof. Dr. Markus Große Ophoff leitet das DBU Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.


Welche „Stellschrauben“ wie Mobilität, Energie, Kreislaufwirtschaft und Catering haben den größten Impact auf die Nachhaltigkeitsziele?

Dr. Markus Große Ophoff: Was die größten Stellschrauben sind, hängt sehr von der Aufgabe des entsprechenden Unternehmens, der Art der Veranstaltung und den jeweiligen Akteuren ab, die die Veranstaltung realisieren. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat im Sommer 2024 die „Woche der Umwelt“ mit dem Bundespräsidenten im Park von Schloss Bellevue durchgeführt. Diese Veranstaltung umfasste ein Fachprogramm mit rund 90 Programmpunkten, rund 200 Ausstellende und den zugehörigen Zelt- und Bühnenbau bei insgesamt rund 12.000 Besuchenden. Die Veranstaltung wurde umweltfreundlich konzipiert. Unten auf der Seite https://www.woche-der-umwelt.de/ findet man die wichtigsten Punkte, die umgesetzt wurden.

Im Nachgang zu dieser Veranstaltung wurde in einer Bachelorarbeit untersucht, was die Maßnahme mit dem größten Nutzen und dem wenigsten Aufwand war. In diesem Fall war das der Einsatz von wiederverwendbaren Teppichfliesen anstatt von Einwegteppich. Es gab kaum Mehraufwand bei der Planung, es wurde Geld gespart und diese Maßnahme hatte einen großen Umwelteffekt. Ebenfalls sehr wenig Aufwand bei einem hohen Nutzen hatten das Anbieten von Wasserspendern, die Unterstützung der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Verwendung von Bannern aus Recyclingmaterial und das Angebot von ausschließlich vegetarischen und veganen Speisen.
Diese Bewertung hätte aber bei anderen Veranstaltungen anders ausfallen können.

Die Umsetzung nachhaltiger Events entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist ein permanenter Prozess, der Know-how und Expertise voraussetzt. Gibt es hierfür genügend qualifizierte Fachkräfte?

Dr. Markus Große Ophoff: Der Fachkräftebedarf ist in der gesamten Veranstaltungsbranche nach der Pandemie immer noch eine Herausforderung. Damals haben viele diese Branche verlassen und die Lücken sind noch nicht vollständig gefüllt. Zum Glück haben viele Akteure aber bereits Expertise in Sachen Nachhaltigkeit aufgebaut. Dies liegt unter anderem daran, dass die beiden Fachverbände German Convention Bureau GCB und Europäischer Verband der Veranstaltungscentren EVVC bereits im Jahr 2011 mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ein Qualifizierungsprogramm für diesen Bereich gestartet haben, das immer noch läuft. Gerade in den letzten fünf Jahren habe ich bei immer mehr Unternehmen feststellen können, dass diese nun explizit Fachkräfte für Nachhaltigkeit haben.

Welche Bedeutung haben Transparenz und eine wirkungsvolle Nachhaltigkeitskommunikation als Wettbewerbs-  und Imagefaktor? 

Dr. Markus Große Ophoff: Ohne gute Kommunikation kann Nachhaltigkeit nicht gelingen. Das fängt bereits bei der Kommunikation zwischen den verschiedenen Unternehmen an, die an einer Veranstaltung beteiligt sind. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wird Ende Oktober 2025 die Verleihung des Deutschen Umweltpreises in Chemnitz durchführen. Um diese Veranstaltung nachhaltig zu gestalten, sind wir bereits seit vielen Monaten mit der Veranstaltungshalle, dem technischen Dienstleister, der Kreativagentur und dem Caterer im Austausch. Hier gelingt Nachhaltigkeit durch gute Transparenz und zielorientierte Arbeit an nachhaltigen Lösungen.
Im nächsten Schritt ist die Kommunikation mit den Gästen eine wichtige Aufgabe. Einerseits möchten viele gerade bei einer solchen Veranstaltung zu Umweltthemen wissen, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Andererseits benötigen wir auch die Mitwirkung der Gäste beispielsweise bei der umweltfreundlichen Anreise, Mehrwegkonzepten oder papierlosen Veranstaltungskonzepten. Regelmäßig führen wir dazu Befragungen der Gäste durch, um unsere Arbeit weiter zu optimieren.
Glaubwürdigkeit steht dabei an oberster Stelle. Es ist besser zu erklären, warum man eine Maßnahme noch nicht umgesetzt hat, anstatt wichtige Punkte zu verschweigen und zu hoffen, dass es keiner merkt. Nachhaltigkeit ist ohnehin nicht ein absolutes Ziel, das man erreichen kann, sondern ein Prozess der ständigen Verbesserung. Nur mit glaubwürdiger und authentischer Kommunikation verbessert man dann auch das Image der Veranstaltung.

Ein Blick in die Zukunft: Welche Rolle bzw. welches Potential hat Künstliche Intelligenz, um eine nachhaltige Entwicklung in der Veranstaltungsbranche voranzutreiben?

Dr. Markus Große Ophoff: Am deutlichsten spürbar ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Übersetzung von Texten und gesprochener Sprache in andere Sprachen. Dazu gibt es mittlerweile sehr gute Software, die zu günstigen Preisen eine solche Live-Übersetzung über das eigene Smartphone bereitstellt. Leider ist dies eine schlechte Nachricht für die Berufsgruppe der Dolmetschenden. Weitere Ansatzpunkte sind in der Entwicklung. Ich kenne viele gute Beispiele für das Energiemanagement in den Hallen, bei denen Licht, Lüftung und Beheizung über die Daten aus dem Veranstaltungsmanagement gesteuert werden. Teils funktioniert das mit künstlicher Intelligenz, teils ohne. Auch beim Catering gibt es gute Ansatzpunkte. Eine Auswertung von vergangenen Veranstaltungen kann die Mengensteuerung der Angebote deutlich verbessern und damit die Menge an zu entsorgenden Lebensmitteln deutlich reduzieren.

Können Sie ein Best Practice-Beispiel nennen, das zeigt, wo nachhaltiges Wirtschaften schon sehr gut funktioniert?

Dr. Markus Große Ophoff: Das DBU Zentrum für Umweltkommunikation in Osnabrück hat seine Veranstaltungstechnik erneuert, um Nachhaltigkeit und moderne Digitalisierung zu vereinen. Nach rund 20 Jahren wurden veraltete Geräte durch eine zukunftsfähige, energieeffiziente Lösung ersetzt. Ziel war eine nachhaltige, einfach bedienbare Technik mit festen Schnittstellen für hybride und Online-Events. Streaming ist nun auf Knopfdruck möglich und damit können deutlich erweiterte Zielgruppen angesprochen werden.

Herzstück ist eine hochauflösende LED-Wand, die durch hohe Kontraste und geringen Energieverbrauch den bisherigen Beamer ersetzt. Die Signalverarbeitung wurde vollständig digitalisiert. Die Steuerung erfolgt über Touchscreens mit voreingestellten Lichtszenen und Mikrofonpegeln. Rückkopplungen und weitere technische Probleme sind durch die Technik ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass die gesamte Veranstaltungstechnik selbst bedient werden kann, was die Kunden des Zentrums für Umweltkommunikation sehr schätzen. Die Umstellung und die Investitionskosten rechnen sich dadurch auch wirtschaftlich und führen gleichzeitig zu deutlichen Umweltentlastungen und hoher Kundenzufriedenheit.

AUCH INTERESSANT

Weitere Beiträge

Wie Speditionen den Wandel meistern können

Die Transportlogistik steht vor einem tiefgreifenden technologischen Wandel. Angesichts steigender Betriebskosten, wachsender Komplexität globaler Lieferketten und des anhaltenden Fachkräftemangels suchen viele Unternehmen nach neuen...

„Unternehmen müssen sich die Frage stellen, mit welcher Belegschaft sie in die Zukunft gehen“

Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eine wichtige Basis für den nachhaltigen Unternehmenserfolg. Wie in Zeiten demografischer Veränderungen und wirtschaftlicher Herausforderungen eine zukunftsorientierte Personalstrategie aussehen...

Wie der Abgang gut qualifizierter Menschen verhindert werden kann

Arbeitskräfte sind in einigen Betrieben Mangelware, in anderen werden sie nicht mehr gebraucht – eine paradoxe Situation. Die Agentur für Arbeit Detmold möchte hier...

Mehr qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber

Jobanzeigen auf Stellenportalen sind für viele Unternehmen schon lange nicht mehr ein Erfolgsgarant für das Besetzen vakanter Positionen. Wie Chatbot-Recruiting und KI-gestützte Mitarbeitergewinnung helfen...
mawi digital flat

E-Magazin