Jobanzeigen auf Stellenportalen sind für viele Unternehmen schon lange nicht mehr ein Erfolgsgarant für das Besetzen vakanter Positionen. Wie Chatbot-Recruiting und KI-gestützte Mitarbeitergewinnung helfen können, zeigt das Startup ScaleUnit.
Der Fachkräftemangel macht es immer schwieriger, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, eine Klage, die mittlerweile in vielen Unternehmen zu hören ist. „Gerade im Software- und Entwicklungsbereich liefern die klassischen Portale nicht mehr die gewünschten Erfolge“, weiß Jacqueline Büscher, Personalreferentin bei der Diamant Software GmbH. Vor zwei Jahren haben die Bielefelder erstmals einen anderen Weg bei der Mitarbeitergewinnung beschritten und auf KI-gestütztes Personalrecruiting gesetzt. Unterstützung bekamen sie dabei von ScaleUnit.

Die Köpfe hinter dem Paderborner Startup sind die beiden Brüder Maximilian und Richard Kleeschulte, die es zum Studium, insbesondere wegen der Strahlkraft der garage33, in die Domstadt gezogen hat. Unternehmerische Ambitionen hatten die gebürtigen Sauerländer bereits während ihres Abiturs vor sieben Jahren. Damals gründeten sie eine Online-Marketing-Agentur, deren Fokus sich mittlerweile geändert hat: Mithilfe smarter und neu gedachter Marketingkampagnen haben die beiden Jungunternehmer sich auf das Recruiting von Fachkräften spezialisiert und damit Mitarbeitergewinnung auf ein neues Level gehoben.
Die Kleeschulte-Brüder und ihr Team, bestehend aus KI-, Online-Marketing- und Design-Experten, generieren mithilfe von auf Social Media platzierten Stellenanzeigen wechselwillige potenzielle Bewerberinnen und Bewerber für ihre Kunden außerhalb der klassischen Stellenportale. „Wenn man bedenkt, dass laut einer Studie von EY gut 63 Prozent aller Beschäftigten bei einem attraktiven Jobangebot bereit sind, ihren Arbeitgeber zu wechseln, steckt hier ein enormes Potenzial“, sagt Maximilian Kleeschulte. Das habe sie motiviert, eine eigene KI-basierte Software zu entwickeln, deren Aufgabe es ist, aus dem großen Pool latent wechselwilliger Kandidaten vollwertige Profile für die Kunden zu generieren. „Das Spannende ist, der gesamte Prozess läuft völlig automatisiert ab. Damit machen Unternehmen ihr Recruiting völlig unabhängig von Jobanzeigen, aber auch von Headhuntern, weil sie selbst den Kontakt zu den Kandidaten herstellen“, zeigt sich Kleeschulte begeistert.
„Unternehmen machen ihr Recruiting völlig unabhängig von Jobanzeigen, aber auch von Headhuntern, weil sie selbst den Kontakt zu den Kandidaten herstellen.“
Dass das Geschäftsmodell funktioniert, hat er längst bewiesen. Allein im letzten Jahr haben die Paderborner mithilfe von KI und Chatbots über 20.000 Kompetenzprofile generiert und 150 Unternehmen verschiedenster Branchen bei der Lösung ihres Fachkräfteproblems unterstützt. Meist sind es IT- und Softwareunternehmen, der produzierende Mittelstand und das Handwerk, die auf ScaleUnit setzen.
Möglichst perfekte Bewerberprofile für seine Kunden zu gewinnen, ist der Antrieb der jungen Gründer. Auf lange Sicht verfolgen sie die Vision, eine Arbeitswelt zu schaffen, in der ambitionierte Unternehmen und Toptalente auf einfache Art und Weise zusammenfinden. „Um dieses Ziel zu erreichen, bauen wir Tools mithilfe von KI, die immer nur Mittel zum Zweck ist. Im Kern geht es darum, Top-Talente und Top-Unternehmen miteinander zu vernetzen“, sagt der Jungunternehmer.
Damit sich der Erfolg einstellt, muss im Vorfeld an den richtigen Stellschrauben gedreht werden. Regelmäßige Gespräche mit den Kunden und Informationen zum Stellenprofil und zur Kultur des Unternehmens sind dabei ebenso wichtig wie eine überzeugende Idee für die Anzeige. „Das ist eine große Herausforderung. Es muss gelingen, in 1,7 Sekunden mit der Kampagne Aufmerksamkeit zu erreichen. In dieser knapp bemessenen Zeit gilt es den potenziellen Kandidaten zu begeistern und zu überzeugen, weil danach das Interesse wieder sinkt“, weiß Kleeschulte.
Genauso wichtig ist es, die Bewerbung des Kandidaten auch einzusammeln. „Über unsere Software wird ein Prozess angestoßen, der alternativ zu den Karriereseiten vieler Unternehmen funktioniert“, sagt der Marketing-Spezialist. Untersuchungen zufolge würden sich nur etwa vier Prozent aller Jobinteressierten über die Karriereseite eines Unternehmens bewerben. Das Hinterlassen von Anschreiben, Lebenslauf und anderen Dokumenten sei offenbar für viele eher abschreckend als motivierend. „Wir erleichtern diesen Vorgang und haben einen Online-Chatbot entwickelt, der die potenziellen Kandidaten im Alleingang navigiert“, beschreibt Kleeschulte. In dieser Phase des Prozesses können sich Interessenten über den Job oder die Benefits informieren und andere Details erfahren. Gleichzeitig sammelt der Chatbot erste Informationen zu den Kandidaten. Im Anschluss haben die Bewerber die Möglichkeit, ihre Kontaktdaten zu hinterlassen und damit in den nächsten Bewerbungsschritt einzusteigen. Vom großen Nutzen ist Kleeschulte überzeugt. Die Zahlen sprechen da eine deutliche Sprache: „Im Vergleich zu Stellenportalen oder anderen Maßnahmen generieren wir etwa sieben- bis zehnmal mehr Kontaktdaten“, sagt Kleeschulte stolz. Für einen Kunden, der eine vakante Position mit einen Servicetechniker besetzen wollte, konnten die Bewerbungszahlen kräftig nach oben getrieben werden – auf etwa 50 und 100 im Monat.
Liegen die Bewerbungen vor, dann ist es bisher meist üblich, mit den Kandidaten Kontakt aufzunehmen und Gespräche zu führen. Ein zeitaufwendiger Vorgang, der oftmals an der telefonischen Erreichbarkeit der Kandidaten scheitert. ScaleUnit setzt nicht aufs Telefon, sondern einen Messengerdienst: Alle Interessenten, die kontaktiert werden sollen, bekommen per WhatsApp eine Nachricht, die sie einlädt, verschiedene Fragen zu beantworten. „Auch diesen Vorgang schubst eine KI an. Der Kandidat kann ebenfalls Fragen stellen, etwa warum er in dem Unternehmen überhaupt arbeiten soll. Die KI hört die Nachricht ab, holt sich die entsprechenden Informationen, formuliert die Antwort und schickt diese an den potenziellen Bewerber“, beschreibt Kleeschulte die niedrigschwellige und interaktive Vorgehensweise. Und auch der Kunde profitiert, weil er deutlich mehr Rückmeldungen erhält. „Wir haben festgestellt, dass bei einigen Jobprofilen etwa 90 Prozent aller Kandidaten die WhatsApp-Chats ausfüllen. Am Ende erhält der Kunde eine Zusammenfassung in Form einer PDF-Datei in sein Bewerbermanagementsystem oder in unser Online-Dashboard, das er bei uns eingerichtet hat.“
Trotz vieler automatisierter Prozesse, die die Personalabteilungen spürbar entlasten und ihnen mehr Zeit für die eigentliche Arbeit verschaffen, stehen am Ende das persönliche Bewerbungsgespräch und im besten Fall die Einstellung der gesuchten Person. Erst dann ist auch Kleeschulte zufrieden. „Der Erfolg jeder Kampagne ist unser wichtigstes Ziel. Wie setzen alles daran, dass dieses gelingt. Gleichzeitig entwickeln wir unser System permanent weiter, um zusätzliche Angebote auszuloten. Momenten arbeiten wir an ersten Tests, um KI-Telefonanrufe möglich zu machen. Es gibt noch viele weitere spannende Themen.“
Und dennoch beschafft die KI dann auch einmal den ein oder anderen ungeeigneten Kandidaten, der zum Beispiel von den Soft Skills so gar nicht passt. Und da zeigt sich dann, dass es letztendlich doch den Menschen braucht, der die finale Entscheidung im Bewerbungsgespräch trifft.
„Wir haben festgestellt, dass wir mithilfe des Chatbot-Recruiting sehr gut den passiven Bewerbermarkt erreichen.“
Jacqueline Büscher jedenfalls ist von der KI-gestützten Mitarbeitergewinnung immer noch begeistert. Die zunächst als Pilotprojekt für die Besetzung einer ausgewählten Position geplante Maßnahme hat sich mittlerweile als wichtiges Instrument zur Ansprache und Gewinnung von Fachkräften etabliert. „Wir haben festgestellt, dass wir mithilfe des Chatbot-Recruiting sehr gut den passiven Bewerbermarkt erreichen“, so die Talent Acquisition Managerin. Bereits bei der ersten KI-gestützten Recruiting-Aktion stellte sich schnell der gewünschte Erfolg ein: Gleich zwei neue Mitarbeitende konnte das Softwareunternehmen für sich gewinnen.