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FRAUEN IN VERANTWORTUNG

Marion Ottemeier-Esken: „Wir hätten gerne noch mehr Frauen in unserem Unternehmen“

Marion Ottemeier-Esken hat vor 45 Jahren ihre Ausbildung im elterlichen Unternehmen absolviert. Seit 2007 steht sie an der Spitze der Ottemeier Werkzeug- und Maschinentechnik GmbH. Diskussionen über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind im Verler Familienunternehmen noch nie Thema gewesen, weil hier alle Beschäftigten die gleichen Chancen haben. Auch die vielzitierte Gender Pay Gap gibt es nicht. Für gleiche Arbeit wird auch gleiches Geld gezahlt.

„Wir hätten gerne noch mehr Frauen in unserem Unternehmen. Wenn es um die Besetzung von Stellen in den technischen Berufen geht, ist das Interesse leider immer noch sehr gering“, sagt Marion Ottemeier-Esken. Trotz zahlreicher Versuche und die Teilnahme an spezifischen Veranstaltungen, bei denen Frauen besonders fokussiert werden, habe sich bisher wenig getan. Auch die regelmäßige Teilnahme am Girls Day, das Angebot von Schnuppertagen oder die Präsenz auf Jobmessen und die Unterstützung von MINT-Projekten haben bisher nicht zu der gewünschten Resonanz geführt. „Für viele Schülerinnen ist der Maschinenbau uninteressant. Ich glaube, dass Mädchen im Gegensatz zu Jungen bereits in jungen Jahren zu wenig an die Technik herangeführt werden“, so die Unternehmerin. Auch herrsche vielfach das Vorurteil, dass es in der Branche zu wenig Flexibilität gebe, man von sechs bis 14 Uhr arbeiten müsse und bei Bedarf keine Arbeitsstunden reduzieren könne. Das sei längst nicht mehr so, erklärt Marion Ottemeier-Esken, die sich gerne auch mehr Frauen in Führungsverantwortung in ihrem Unternehmen wünscht. Eine Ausnahme gibt es: Seit zehn Jahren ist eine junge Frau, die als technische Zeichnerin begonnen und sich als Technikerin weiterqualifiziert hat, in leitender Funktion im Unternehmen tätig. Dabei ist der Familienbetrieb vorbildlich, wenn es um die Gleichbehandlung der Geschlechter geht, denn Frauen und Männer werden absolut gleichgestellt, wie zum Beispiel bei der Bezahlung.

Für Ottemeier-Esken ist das selbstverständlich. Gleich nach der Übernahme des Unternehmens durch sie und ihre Schwester vor gut 18 Jahren stand dieses Thema ganz vorn auf der Agenda. „Es war uns ein wichtiges Anliegen, ein faires Lohngefüge für alle Beschäftigten zu entwickeln. Gemeinsam mit einer Personalexpertin haben wir ein Konzept entwickelt. Das war zwar ein mühsamer Prozess, es hat sich jedoch gelohnt.“


„Es kann nicht sein, dass Frauen geringere Chancen bei der Übernahme von Verantwortung haben oder bei der Familienplanung zurückstehen müssen.“


Die Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist bis heute für die Verlerin selbstverständlich. Ihre Einstellung hat sich vermutlich bereits in ihrer Kindheit entwickelt. Als ihr Vater vor 65 Jahren mit der Entwicklung und Fertigung von Maschinen und Werkzeugen zur Herstellung von Kunststoffstanzteilen für die Textilindustrie begann, nahm auch ihre Mutter eine aktive Rolle ein. Marion Ottemeier-Esken und ihre Schwester erlebten bewusst mit, was es bedeutet, unternehmerisch tätig zu sein. „Probleme wurden am Küchentisch besprochen und wir Kinder wollten, wo wir konnten, unterstützen“, blickt die Familienunternehmerin zurück. Bereits früh hätten sie verstanden, wie wichtig die Grundwerte Fleiß und Leistungsbereitschaft seien. Das habe sie geprägt. Und sie habe auch erlebt, wie ihr Vater Frauen respektvoll behandelt und deren Arbeit respektiert habe.

Als sie selbst vor der Berufswahl stand, war für sie nicht von vornherein klar, in den Familienbetrieb zu gehen. Eine freie Wahl habe sie jedoch nicht gehabt: „Es war der ausdrückliche Wunsch meiner Eltern, eine kaufmännische Ausbildung im Betrieb zu absolvieren“, so die heutige geschäftsführende Gesellschafterin, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung auch schnell Verantwortung für einen Bereich des Unternehmens, den Stanzbetrieb, übernahm. Akzeptanzprobleme habe es damals in dem gut 20 Beschäftigte zählenden Betrieb nicht gegeben. Respekt und ein gutes Miteinander seien auch heute noch die Basis eines guten Betriebsklimas. „Ich schätze es sehr, dass wir einen angemessenen Umgangston haben“, so die Chefin, die heute gut 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führt. Das sei mit externen Geschäftspartnern nicht immer selbstverständlich. „Besteht nur eine schriftliche oder telefonische Beziehung, dann bemerke ich manchmal doch, dass der Respekt gegenüber einem Mann größer wäre. Bei persönlichen Kontakten sehe ich eine wesentlich stärkere Anerkennung und Wertschätzung“, so Ottemeier-Esken.    

Dass Frauen für die Wirtschaft wichtig sind, ist für sie gar keine Frage. Schon in der Schule und im Studium überzeugen viele mit guten Noten und engagieren sich im Beruf. „Ich habe so viele motivierte junge Frauen kennengelernt, die leistungsbereit und ehrgeizig sind und Verantwortung übernehmen möchten. Es kann nicht sein, dass Frauen geringere Chancen bei der Übernahme von Verantwortung haben oder bei der Familienplanung zurückstehen müssen“, sagt die Mutter zweier erwachsener Kinder. Und obwohl sie vor 30 Jahren das Glück hatte, dass ihr Ehemann nach der Geburt des zweiten Kindes Teilzeit gearbeitet und beruflich zurückgesteckt habe, um ihr den Karriereweg zu öffnen, sei es auch heute noch nicht selbstverständlich, dass Frauen ihre beruflichen Ambitionen verfolgen könnten. „Damals war diese Rollenverteilung eher unüblich, und nur wenige hatten Verständnis für unsere Regelung. Und obwohl sich heute mit Blick auf die Betreuungsmöglichkeiten schon einiges verbessert hat, sind es meistens die Frauen, die sich um die Familie kümmern“, erklärt die Unternehmerin, die sich diesem Thema selbst angenommen hat. Und nicht nur diesem – die gesamte Personalarbeit ist Chefinnensache. „Ich bin fest überzeugt, dass sich diese Arbeit nicht delegieren lässt. Sie ist zu wichtig. Nur wenn Frauen und Männer Wertschätzung erfahren, entsteht ein gutes Miteinander und eine stärkere Bindung. Und man darf nicht vergessen, jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ist Markenbotschafter eines Unternehmens“, so Ottemeier-Esken.

Mit Blick auf die Beschäftigung von Frauen sei es deshalb nur selbstverständlich, alles zu unternehmen, damit Mitarbeiterinnen nach der Elternzeit wieder zurückkommen. „Dafür stellen wir unsere Abläufe und Organisation um. Von einer Tätigkeit von einem Tag in der Woche bis hin zu reduzierten Arbeitszeiten flexibilisieren wir so gut es geht. In den letzten Jahren gab es häufiger solche Situationen, die alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgetragen und vorübergehend auch Mehrarbeit übernommen haben.“

In Zukunft wird das Unternehmen mit den drei Geschäftsbereichen Sondermaschinenbau, Werkzeugbau und Lohnbearbeitung auch weiterhin von weiblicher Hand geführt. Tochter Judit Esken, die beruflich zunächst eine Ausbildung bei der Polizei absolviert hat und als Kommissarin tätig war, hat mittlerweile auch den Weg in den Familienbetrieb gefunden. Zurzeit durchläuft sie alle Unternehmensbereiche und kümmert sich verstärkt um die Digitalisierung des Betriebs. Vom Engagement ihrer Mutter profitiere sie sehr: „Ich habe das Glück, dass sie durch ihr Wesen, ihren Fleiß und Ehrgeiz sowie ihr ausgeprägtes Wissen und Know-how eine Unternehmenskultur geschaffen hat, in der es völlig normal ist, dass eine Frau Verantwortung übernimmt und als Geschäftsführerin tätig ist.“

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