Die Bertelsmann Stiftung hat die Initiative GenNow gegründet, um die junge Generation bei der Mitgestaltung ihrer Zukunft zu unterstützen. Im Interview erklärt Ivo Andrade, Projekt-Manager Bildung und Next Generation bei der Bertelsmann Stiftung, warum die Unterstützung junger Menschen wichtig ist, wo ihre Potenziale liegen und wie der Umgang mit ihnen aussehen kann.
m&w: Welche Ziele hat sich Ihre Initiative GenNow gesetzt?
Ivo Andrade: Eines der zentralen Ziele von GenNow ist es, die wirtschaftliche Teilhabe junger Menschen zu stärken. Das bedeutet für uns einerseits, das Wirtschaftsinteresse junger Generationen ernst zu nehmen und zu verstehen, welche wirtschaftspolitischen Themen für sie besonders relevant sind. Andererseits wollen wir junge Menschen befähigen, unsere Wirtschaft aktiv mitzugestalten – sei es als Entrepreneure, Intrapreneure oder Unternehmensnachfolgerinnen und -nachfolger.

m&w: Wie sieht Ihr Projekt konkret aus und welche Themen stehen neben der Unternehmensgründung im Fokus?
Ivo Andrade: Im Einzelnen sieht es so aus, dass wir zu den Themenbereichen Wirtschaftsinteresse, Entrepreneurship und Intrapreneurship jeweils zwei Wege gehen. Wir unterstützen Peer-to-Peer-Formate, hören der Zielgruppe genau zu und tauschen uns fortlaufend mit jungen Menschen aus. Gleichzeitig leiten wir aus den Erfahrungen und den Austauschen mit ihnenFragestellungen ab, denen wir evidenzbasiert, also mit Hilfe von Studien, nachgehen.
Ein Beispiel: Wir unterstützen das Young Founders Network e. V., das mittlerweile über 1.200 Gründerinnen und Gründer sowie Gründungsinteressierte umfasst, und haben im vergangenen Jahr gemeinsam mit diesem Verein den Young Founders Monitor veröffentlicht (Bertelsmann Stiftung 2024a). Eine Studie, die die Attraktivität von Unterstützungsangeboten auf junge Menschen untersucht.
m&w: Warum ist die Unterstützung junger Menschen besonders notwendig und wie wollen Sie diese für das Unternehmertum begeistern?
Ivo Andrade: Jeder, der die Zeitung aufschlägt, erkennt, dass es der deutschen Volkswirtschaft derzeit nicht sonderlich gut geht. Die Wachstumsraten des BIP stagnieren hierzulande seit 2019, wodurch wir auch im innereuropäischen Vergleich stark hinterherhinken (destatis 2025). Es wird deshalb immer stärker die Frage gestellt, wie wir Deutschland wieder zu einem starken Wirtschaftsstandort machen können. Eine Teilantwort darauf kann es sein, bereits bestehende Potenziale zu nutzen: Unter anderem im Unternehmergeist der jungen Generation. Laut einer repräsentativen Umfrage, in der wir 1.755 junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren befragt haben, können sich 49,5 Prozent zumindest vorstellen, ein Unternehmen zu gründen (Bertelsmann Stiftung 2025). Wir sprechen also davon, dass sich gut die Hälfte der Befragten vorstellen kann, ein Unternehmen zu gründen – das ist enorm.
Gleichzeitig sehen wir aber, dass in Deutschland vergleichsweise wenig junge Menschen gründen. Während in den USA gut 25 Prozent und in den UK 20 Prozent der Gründerinnen und Gründer unter 34 sind, sind es in Deutschland lediglich etwa 15 Prozent (Global Entrepreneurship Monitor 2024/2025). Wir haben also Potenzial, nutzen es aber nicht. Das kann und sollte sich ändern. Zentral ist hierbei, junge Menschen als spezifische Zielgruppe zu berücksichtigen und zu adressieren. Dies belegt zum Beispiel der Young Founders Monitor, der zeigt, dass spezifische Unterstützungsangebote für junge Menschen die Attraktivität, ein Unternehmen zu gründen, deutlich steigern (Bertelsmann Stiftung 2024a).
m&w: Wo liegen die größten Hürden für junge Menschen, erfolgreich zu gründen?
Ivo Andrade: Da sind zum einen die Klassiker zu erwähnen, die altersunabhängig bei Gründerinnen und Gründern eine Rolle spielen, wie beispielsweise hohe Bürokratie und komplexe regulatorische Anforderungen (Deutscher Startup Monitor 2025). Es gibt aber auch Hürden, die insbesondere für junge Menschen entscheidend sind. Diese zeigen sich vor allem dann, wenn man sie selber fragt. In einer Umfrage aus dem Jahr 2023, in der wir 1.655 junge Menschen zwischen 14 und 25 befragt haben, ob sie sich vorstellen können, ein Unternehmen zu gründen, konnten wir folgendes feststellen: Bei Befragten, die sich nicht vorstellen können, zu gründen, führte dies rund jede vierte Person auf fehlendes Zutrauen in die eigenen Kompetenzen und eine damit verbundene Unsicherheit zurück. Jede und jeder Fünfte zweifelte daran, über das nötige Wissen zu verfügen. Etwa jede sechste Person sorgte sich darum, dem mit einer Gründung einhergehenden Stress nicht gewachsen zu sein (Bertelsmann Stiftung 2024b). Es geht also darum, nicht nur gute regulatorische Rahmenbedingungen durch Bürokratieabbau, digitalen Infrastrukturausbau und Bereitstellung von Kapital umzusetzen. Entscheidend ist vielmehr, jungen Menschen durch Selbstwirksamkeitserfahrungen, die Schaffung von Räumen und den Kontakt mit unternehmerischen Vorbildern zu zeigen, dass auch sie dazu in der Lage sind, zu gründen.
m&w: Es gibt viele Klischees über die Gen Z – von wenig leistungsorientiert bis hin zu geringer Bindung an den Arbeitgeber. Wo liegt das Potenzial dieser Generation für Wirtschaft und Gesellschaft?
Ivo Andrade: Sicherlich gibt es einige wenige, die diesen skizzierten Klischees entsprechen. Es gibt allerdings auch gute Indizien dafür, dass es eben nur Klischees sind. Wenn wir auf die Zahlen blicken und uns zum Beispiel das Gründungsinteresse junger Menschen anschauen (Bertelsmann Stiftung 2025), sehen wir, dass die Gen Z anpacken und Probleme lösen möchte – auch in der Arbeitswelt. Und genau darin liegen riesige Potenziale, denn in einer VUCA-Welt, die sich u. a. durch zunehmende Komplexität auszeichnet, werden Problemlösungskompetenzen immer relevanter. Deshalb ist es auch so wichtig, junge Menschen zu Problemlösern zu machen, die künftig als Unternehmerinnen und Unternehmer tätig sind, als Intrapreneure in Betrieben innovative Veränderungen anstoßen oder die nächsten Unternehmensnachfolger werden.
m&w: Ihre Empfehlung an Unternehmen zum Umgang mit der Generation Z.
Ivo Andrade: Junge Menschen ernst nehmen, sie challengen und ihnen Räume und Rahmen geben, in denen sie sich ausprobieren können – ich glaube, damit wäre schon viel gewonnen.




