-Anzeige-

Kompetenzentwicklung

„Die Gewichtung relevanter Fertigkeiten wird sich verschieben“

Weiterbildung und Qualifizierung von Mitarbeitenden sind in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt eine wichtige Basis für den Unternehmenserfolg. Auf welche Kompetenzen und Fertigkeiten es ankommt, erklärt Professorin Dr. Barbara Steinmann von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie.

Angesichts der Digitalisierung und veränderter Arbeitsanforderungen müssen neues Wissen erworben und neue Fähigkeiten erlernt werden. Welche Kompetenzen werden zunehmend wichtiger und wie lassen sich diese aneignen?

Dr. Barbara Steinmann: In unterschiedlichen Branchen und Berufen variieren die Anforderungen an künftige Fertigkeiten und Kompetenzen natürlich stark. Die fortschreitende Integration digitaler Technologien und absehbar auch die Nutzung künstlicher Intelligenz verändern die Aufgaben und Anforderungen in einem breiten Tätigkeitsspektrum grundlegend. Dies wird sich primär auf die notwendigen fachlichen Kompetenzen auswirken, die für die Ausübung einzelner Tätigkeiten erforderlich sind.
Über die spezifischen fachlichen Anforderungen und die allgemeine Notwendigkeit zur Erweiterung der Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien hinaus, lassen sich auch Veränderungen in den erfolgskritischen überfachlichen Kompetenzen absehen. Dabei werden weniger neue Kompetenzen aufkommen, vielmehr wird sich die Gewichtung auch aktuell relevanter Fertigkeiten verschieben.

Dipl.- Psychologin Dr. Barbara Steinmann ist Professorin am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule OWL. Foto: TH OWL

Welche Fertigkeiten werden an Bedeutung gewinnen? 

Dr. Barbara Steinmann: Obwohl Unternehmen vermehrt Algorithmen nutzen können, die die große Menge verfügbarer Daten für eine logische Entscheidungsfindung heranziehen, um im Arbeitsalltag zu Entscheidungen zu kommen, bleiben Entscheidungsstärke und Problemlösekompetenz ganz zentrale Kompetenzen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie gewinnen sogar noch an Bedeutung. Einerseits bleibt es nach wie vor an den Menschen im Unternehmen zu entscheiden, in welche Prozesse und für welche Aufgaben welche digitalen Technologien wie zu integrieren sind. Abschätzen, welcher Zuschnitt notwendig und sinnvoll ist, das kann die Technologie nicht selbst. Hierfür braucht es ein komplexes Problemlöseverständnis, das nicht nur Entscheidungen und Prozesse der Vergangenheit, sondern auch die sich permanent ändernden Bedingungen innerhalb der Organisation und die Volatilität ökonomischer, politischer oder gesellschaftlicher Anforderungen berücksichtigt. Unabhängig vom Einsatz digitaler Technologien werden viele Entscheidungen andererseits auch weiterhin von den Beschäftigten getroffen. Während diese früher zumeist bei den Vorgesetzten lagen, ermöglichen und erfordern die schnelle und weitreichende Verfügbarkeit von Informationen und sich kurzfristig ändernde Anforderungen, dass nun die Mitarbeitenden selbst Entscheidungen unter hohem Zeit- und Marktdruck treffen. Insofern müssen sie Probleme und Prozesse sehr gut durchdringen und zielgerichtet Entscheidungen treffen können.

Sich immer schneller ändernde Rahmenbedingungen stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Was bedeutet das für den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden?

Dr. Barbara Steinmann: Marktveränderungen sind kaum mehr vorhersagbar. Die Planbarkeit nimmt vor dem Hintergrund unkontrollierbarer Krisen oder zum Beispiel auch einer zunehmenden Individualisierung von Kundenbedürfnissen ab. Unternehmen müssen sich kurzfristig anpassen oder strategisch neu ausrichten. Veränderungs- und Reorganisationsprozesse sind allgegenwärtig. Das fordert von den Beschäftigten ein hohes Maß an Toleranz für Unsicherheit und die Bereitschaft, sich an Veränderungen anzupassen. Ambiguitätstoleranz und Resilienz werden damit zu zentralen Eigenschaften dieser Zeit.

Welche Kompetenzen sind noch wichtig?

Dr. Barbara Steinmann: Der Umgang mit Unvorhergesehenem rückt noch eine weitere Fähigkeit in den Mittelpunkt: Kreativität. Dabei kommt Kreativität nicht nur eine zentrale Rolle beim Lösen aufkommender Probleme oder kurzfristiger Erfordernisse zu, sie ist auch notwendig, um neue Wege für die Zukunft entwerfen zu können.

Manche dieser Erfolgsfaktoren sind Persönlichkeitsmerkmale, die sich nur schwer und – wenn überhaupt – über einen längeren Zeitraum verändern lassen. Für verschiedene Merkmale konnte die psychologische Forschung aber inzwischen zeigen, dass eine häufige Konfrontation mit Situationen, die die entsprechende Eigenschaft fordern, mittelfristig zu kleinen Veränderungen in der Ausprägung des Merkmals führen kann. Je häufiger wir also mit Unsicherheit konfrontiert werden, desto eher könnten wir Toleranz ihr gegenüber entwickeln.

Was bedeutet das für die Kompetenzentwicklung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Dr. Barbara Steinmann: Kompetenzen lassen sich im Vergleich zur Persönlichkeit sehr viel einfacher verändern. Für den Aufbau fachlicher und digitaler Kompetenzen braucht es meiner Ansicht nach zunächst konkrete Aus- und Weiterbildungsangebote, um grundlegendes Wissen und grundlegende Handlungskompetenzen zu vermitteln. Diese müssen durch Übungsmöglichkeiten on the Job und Paten, die beim Transfer in den Berufsalltag unterstützen, gefestigt werden. Beim Aufbau zentraler überfachlicher Kompetenzen ist arbeitsintegriertes Lernen zentral. Herausfordernde, problemorientierte und ganzheitliche Aufgaben, die Beschäftigte im Team bearbeiten, bieten die Möglichkeit, gemeinsam das Entscheidungsverhalten, Problemlösekompetenzen und soziale Kompetenzen zu stärken. Mit Blick auf die Praxis kann man sagen, dass selbstorganisierte Teams, wie sie in verschiedenen Unternehmen eingesetzt werden, viele der Kriterien erfüllen, die an eine lern- und persönlichkeitsförderliche Arbeitsgestaltung gestellt werden und zentrale Kompetenzen stärken.

AUCH INTERESSANT

Weitere Beiträge

Agenturgruppe in der Nische erfolgreich

Die FETTE BEUTE Gruppe zählt erstmalig zu der TOP 50 der inhabergeführten Agenturen Deutschlands. Das Ranking wird jährlich von...

Mit digitaler Souveränität verlieren wirtschaftliche Risiken ihren Schrecken: Open Source ist der Schlüssel

In einer Welt, die zunehmend von digitaler Technologie durchdrungen ist, ist die Frage nach unserer digitalen Unabhängigkeit von entscheidender...

„Am wirkungsvollsten ist es, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen“

Barbara Lüder, Managerin Technik, Recht und Nachhaltigkeit im Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA, über Klimaneutralität in der Messewirtschaft, wiederverwendbare...

„So autonom wie notwendig und so global wie möglich“

Nicht nur in der Logistik ist der Ruf nach mehr Resilienz in den letzten Jahren lauter geworden. Was das...

Fahrt aufnehmen für weniger CO2-Emissionen

Der Transport in Überseecontainern ist längst eine feste Größe in der globalen Logistik. Containerschiffe mit einem Fassungsvermögen mit bis...

E-Magazin