Die Zeiten sind herausfordernd, die Spannungsfelder groß: Wie kann die Wirtschaft wieder wachsen und welche Technologien können dabei helfen? Wichtige Impulse setzte die Hinterland of Things Konferenz in Bielefeld. Ein Besuch auf dem Event.
Pascal Volkery ist begeistert. Der Gründer des Bielefelder Startups Credular hat auf der Hinterland oft Things Konferenz vielversprechende Gespräche geführt. „Wir sind beeindruckt und konnten den Tag als echtes Vertriebsevent nutzen“, zieht der Geschäftsführer eine positive Bilanz. Sogar ein Bestandsinvestor aus Süddeutschland habe den Weg nach Bielefeld angetreten. Zusammen mit seinen drei Mitgründern hat Pascal Volkery eine Software für die Industrie entwickelt, die das Wissen von Fachkräften dokumentiert und mit einem intelligenten Assistenzsystem in Produktion und Service bereitstellt. Ziel sei es, die Standardisierung und den Wissenstransfer zu verbessern, indem das in den Köpfen der Mitarbeitenden vorhandene Wissen erfasst werde und somit erhalten bleibe, so der junge Unternehmer, der vor zwei Jahren gestartet ist. „Wir arbeiten mit einer intuitiven, auf KI basierenden Lösung, die die Anwendung einfach macht und zudem Industrieunternehmen bereits nach wenigen Wochen einen signifikanten Mehrwert liefert“, beschreibt Pascal Volkery das Geschäftsmodell.
Der Bielefelder ist nicht der einzige Startup-Vertreter, der motiviert sein Unternehmen präsentiert. Zahlreiche Gründerinnen und Gründer haben in diesem Jahr in der Stadthalle Bielefeld eine Plattform bekommen, um mit Familienunternehmen und Investoren zusammenzukommen. Auch Marc Hechler und Leonora Beifuss sind mit dabei. Sie beschäftigen sich mit dem wichtigen Gut Wissen beziehungsweise Kompetenzen. Vor drei Jahren haben sie zu dritt hoorai in der Rhein-Main-Region gegründet, eine B2B-SaaS-Plattform, die Unternehmen hilft, ihre vorhandenen Talente sichtbar zu machen und zu erfolgreichen Teams zusammenzuführen. Wenn die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt zu den richtigen Themen kooperieren, könnten die besten Ergebnisse erzielt werden, ist Hechler überzeugt. „Wir müssen weg von jedweden Jobtiteln hin zu Kompetenzen“, sagt der Gründer. hoorais Geschäftsmodell basiert auf wissenschaftlich fundierter Forschung zu Persönlichkeitsmerkmalen und Teamdynamiken, um Teams optimal aufzustellen. „Fakt ist, harmonierende Teams sind nachweislich erfolgreicher, weil die Zusammenarbeit verbessert, Diversität gefördert und das volle Potenzial der Mitarbeitenden ausgeschöpft wird“, so Marc Hechler.
Für Dominik Gross, Geschäftsführer der Founders Foundation, die zum siebten Mal die Hinterland of Things Konferenz durchführt, bietet dieses Event eine ideale Möglichkeit, jetzt endlich die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes mutig zu gestalten und mit klugen Strategien wieder ins Wachstum zu führen.
„Wir haben leider unsere Turnschuhe verloren – und sind ganz schön aus der Form geraten. Jetzt gilt es, die Stärken und Chancen, die wir haben, tatsächlich wieder zu reclaimen“, so Gross.
An Tech-Talenten mangele es nämlich nicht. Mit Blick auf die EU könnten wir auf 3,5 Millionen Talente in der Tech-Industrie verweisen, damit seien wir mit den USA gleichauf. Positiv sei zudem das konstante Wachstum in diesem Bereich. „Wir punkten außerdem auch wegen der zahlreichen Startups, die konstant Know-how und Erfahrung liefern“, so Gross, der auch die gute Forschung und das Engagement der Hochschulen lobt. Hoffnungsvoll sei zum Beispiel der EXIST-Leuchtturmwettbewerb Startup Factories, dessen Ziel es sei, Deep-Tech made in Germany zu etablieren. Das Positive ist: Auch die Region spielt hier mit. Gleichzeitig zeigten sich die Universitäten immer unternehmerischer, ein positives Signal: „Wenn wir Talente haben, entstehen Startups. In Europa haben wir etwa 35.000 Frühphasen-Startups, so viele wie in keiner Region auf der Welt“, so Gross. Das Startup-Ökosystem habe sich auf den Weg gemacht und auch die Corporates hätten mittlerweile verstanden, dass Alleingänge angesichts der Herausforderungen unserer Zeit nicht der richtige Weg seien, Zusammenarbeit und Diversität jedoch Erfolgsfaktoren sein könnten. „Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass es funktioniert, wenn die etablierte Wirtschaft und deren Standbein mit Startups und deren Spielbein kooperiert. Wir brauchen das Spielbein, um nicht nur die Welt zu transformieren, sondern auch um neue Märkte entstehen zu lassen“, sagt Dominik Gross und verweist auf die Chipindustrie, deren Effizienz sich in den letzten zehn Jahren vertausendfacht habe. Mittlerweile sei auch Deutschland in das Rennen eingestiegen. Zwei der deutschen Chip-Rennpferde, Black Semiconductor und Semron, zeigen auch in Bielefeld Präsenz.
Wie die Kollaboration mit Startups aussehen kann, sieht man auf der Hinterland. Jens Fiege, Geschäftsführer des gleichnamigen Logistik-Familienunternehmens mit mehr als 150-jähriger Geschichte, arbeitet seit langem mit Startups zusammen, investiert in sie und baut mit verschiedenen Partnern gemeinsam an einem Branchenökosystem. Die Kooperation mit jungen Unternehmen vollzieht sich auf verschiedenen Wegen. Startups sind auf der einen Seite Kunden, die Logistikdienstleistungen benötigen. Vor Jahren sind die Grevener mit Zalando gestartet. Auf der anderen Seite kooperiert Fiege mit Lieferanten und Partnern aus der Tech-Startup-Szene, die Expertise in der Robotik und Automatisierung haben oder Plattformmodelle entwickeln. „In diesen Ökosystemen sind wir aktiver Teil der Partnerschaft. Wir nutzen nicht nur fertige Produkte, sondern testen und entwickeln gemeinsam eine Lösung“, beschreibt Unternehmer Fiege. Dass es nicht immer funktioniert, gibt er auch zu: „Manchmal scheitert ein gemeinsames Vorhaben und dann muss man es auch eingestehen. Dann hilft nur, genau zu analysieren. Das haben wir auch aus unserem Engagement im Venture Capital-Bereich gelernt. Als Venture-Investor muss man klare Ziele haben und klare Entscheidungen treffen.“
Gesucht und gefunden haben sich auch das Startup aiomatic, das mit KI-basierter Instandhaltungssoftware Industrieprozesse verbessern möchte, und der Mittelständler KSB, führender Hersteller von Pumpen und Armaturen. Diese zwei ungleichen Partner, die beide auf der Suche nach einer komplementären Lösung waren, haben es geschafft, gemeinsam erfolgreich zu kooperieren. „Wir suchten nach einem Investor, mit dem wir zusammenarbeiten können, um gegebenenfalls einen anderen Marktzugang zu bekommen und auch um von dessen Expertise zu profitieren“, sagt Lena Weirauch, Co-Gründerin des vor fünf Jahren gestarteten Startups. Der Maschinenbauer, der zwar über eine Lösung zur Überwachung seiner Pumpen verfügt, hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, wie sich seine vorhandenen Kontrollmöglichkeiten auf andere Komponenten ausbauen ließen. Da aiomatic generalisierter unterwegs und nicht auf ein Produkt spezialisiert ist, kam dem Unternehmen die Kooperation gerade recht. „Wir haben den Anspruch, möglichst viel selbst zu entwickeln. Wenn wir aber feststellen, dass wir in einem Bereich nicht über die Kernkompetenzen verfügen, dann suchen wir andernorts die entsprechende Expertise“, beschreibt Thomas Paulus, Chief Digital Office von KSB, der zusätzlich auch erstmals in der über 150-jährigen Unternehmensgeschichte in das Startup investierte.
Die Kooperation ist für beide eine Win-win-Situation. „Es war nicht immer einfach, zwei so unterschiedliche Kulturen zusammenzubringen, und wir mussten auch einige Gräben überwinden. In den Gesprächen haben wir jedoch schnell bemerkt, dass wir die gleiche Erwartungshaltung hatten“, sagt Lena Weirauch. Auch Thomas Paulus betont die schwierigen Momente, stellt jedoch die menschliche Komponente als wichtigsten Erfolgsfaktor in den Fokus. „Und die passte einfach“, so Paulus. Der Digitalexperte appelliert an junge Tech-Gründende:
„Habt einfach Mut, Corporates anzusprechen.“
Und Lena Weirauch empfiehlt: „Der übliche Investoren-Pitch funktioniert hier übrigens nicht. Mit der Vision, ein Unicorn zu werden, kann man ein Mittelstandsunternehmen nicht beeindrucken.“ Ein entscheidender Partner für etablierte Unternehmen können Startups auch beim Einstieg in KI-Technologien sein. Ganz gleich, um welche Prozesse es geht, junge Gründerinnen und Gründer verfügen über Lösungen, die den Mittelstand voranbringen können. Das Deep-Tech-Startup OPTIMAITE hat zum Beispiel lokal einsetzbare KI-Plattformen entwickelt, die die Dokumentenverarbeitung transformieren und dabei absolut datenschutzkonform arbeiten. Mit einer Lösung für das Rechtswesen ist das in diesem Jahr gegründete Startup bereits erfolgreich unterwegs. „Erste Angebote gibt es bereits, wir können uns jedoch weitere Anwendungen wie zum Beispiel den Einsatz von KI bei Rechtsfällen vorstellen“, sagt Gründer Jamil Mounzer. Die Industrie haben die Paderborner ebenfalls im Blick, noch in diesem Jahr soll eine entsprechende Plattform fertiggestellt werden. In dieser Branche sind noch sehr viele Daten nur in Papierform vorhanden.
„Hier schlummert ein riesiges Potenzial, denn KI-gestützte Automatisierung kann Produktionsprozesse beschleunigen, die Effizienz steigern und Ausfallzeiten reduzieren“, so Mounzer.
Auf Robotik setzt das gerade gegründete Startup Human Robotics GmbH, eine Technologie, die in den nächsten fünf Jahren die Welt gravierend verändern wird, wie Frank Thelen, Tech-Investor und Gründer von Freigeist Capital, auf der Hinterland verkündet. Das sieht auch Shiar Hido so. Der Gründer des Mindener Startups ist optimistisch, dass sich in der Robotik in Deutschland nun endlich etwas bewegt. „Vielversprechend ist beispielsweise der deutsche Hersteller Neura Robotics, der kollaborative Roboter mit kognitiven Fähigkeiten entwickelt“, erklärt Hido, der überzeugt ist, dass sich in den nächsten Jahren die Robotertechnologie mit Rasanz in vielen Bereichen durchsetzen wird. Das hat auch ihn motiviert, auf diesen Zug aufzuspringen. Zurzeit entwickelt das dreiköpfige Gründerteam eine Software-Plattform für Roboter, die mit spezifischen Sensoren ausgestattet werden, je nachdem welche Anforderungen sie im Praxiseinsatz erfüllen müssen. Die gewonnenen Daten dienen als Grundlage für einen Lernalgorithmus, der dem Roboter beibringt, ähnliche Aufgaben selbstständig auszuführen. Shiar Hido geht davon aus, dass er bis zum Ende des Jahres mit einem ersten Produkt auf den Markt kommt. „Wir arbeiten an einer Gesamtlösung bestehend aus einem humanoiden Roboter inklusive Softwarelösung und Know-how. Dieses werden wir unseren Kunden zur Verfügung stellen und ihnen auch zeigen, wie sie selbst humanoide Roboter trainieren können“, blickt der Gründer mutig in die Zukunft.
Mut ist auch für Dominik Gross das Wort des Tages. „Unsere Diskussionen und Gespräche auf der Hinterland of Things haben gezeigt, dass wir alles andere bereits haben.
Jetzt ist die Zeit, unsere Lösungen umzusetzen und Deutschland wirtschaftlich – und auch gesellschaftlich – wieder stark zu machen.
Am 18. Juni 2026 können wir uns auf der 8. Hinterland of Things Konferenz in die Augen schauen und ein gemeinsames Fazit ziehen, was wir wirklich bewegt haben!“