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Generation Z:

„Beide Parteien müssen sich aufeinander einlassen“

Wie möchte die Generation Z arbeiten? Für die meisten Unternehmen ist das eine der wichtigsten Fragen in ihrer Personalplanung. Demnächst gehen viele ihrer älteren Mitarbeitenden in den Ruhestand. Junge Menschen folgen nach. Doch wie begegnet man ihnen und was ist ihnen im Job wichtig? Generationenforscher Dr. Rüdiger Maas über die Jugend von heute und wie man Spannungen zwischen Alt und Jung im Arbeitsalltag löst.

Herr Maas, in der Öffentlichkeit und den sozialen Medien wird häufig ein Bild von der jungen Generation gezeichnet, dass von Vorurteilen und Klischees geprägt ist. Wie sehen die aus?

Dr. Rüdiger Maas: In der Regel wird die junge Generation abgewertet und viele Dinge werden fehlinterpretiert, oft aus der Sicht der Älteren. So würden die Jungen nur am Smartphone hängen, ohne zu berücksichtigen, dass nahezu alle Menschen ständig am Smartphone sind. Oder die Jungen seien alle faul, ohne zu berücksichtigen, dass wir alle etwas bequemer geworden sind.

Wie ist dieses Bild zustande gekommen und welche Rolle spielen dabei die Kommunikationsformen?

Dr. Rüdiger Maas: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern […] und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Das Zitat wird dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschrieben, der etwa 469 bis 399 vor Christus in Athen lebte. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende findet man solche oder ähnliche Zitate darüber, dass sich Ältere über die Jüngeren echauffieren. Es scheint am Ende sogar eine anthropologische Konstante zu sein, dass Menschen, die älter werden, die Jungen nicht verstehen oder deren Verhaltensweisen schlecht finden. Also zusammengefasst: Dieses Handeln ist ziemlich normal. Heute wird aber vielerorts anders gedacht. Man versucht nun, die Jungen zu verstehen, oder findet jetzt alles toll, was sie machen. Und das ruft nun wieder neue Bilder hervor. So wird zum Beispiel behauptet, die jungen Menschen seien in der digitalen Welt fitter als die Alten oder interessierten sich alle für Nachhaltigkeit. Schaut man genauer hin, dann ist oft genau das Gegenteil der Fall. Wir Älteren sehen junge Menschen am Smartphone und gehen davon aus, dass diese Digital Natives dadurch ein besseres Digitalverständnis erwerben, blenden aber komplett aus, dass der Großteil des Digital-Konsums erst einmal nur passiv ist. TikTok-Videos anschauen führt nicht zu mehr Verständnis fürs Programmieren. Kommunikations- und Wahrnehmungsformen spielen also eine enorme Rolle. Da die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen oft nicht berücksichtigt wird, basieren viele Zuschreibungen jedoch auf einer gewissen Inkommensurabilität.

Wie sehr entspricht diese Darstellung tatsächlich der Realität? Wie „tickt“ die Gen Z wirklich?

Dr. Rüdiger Maas: Eine Kohorte von mehreren Millionen Menschen „tickt“ nicht. Viel spannender zu untersuchen sind auch nicht die „Eigenschaften“ einer Generation, als vielmehr die Wirk- und Lebensräume, in denen die Jungen aufwachsen. Und das geschieht komplett individuell. Aber die meisten jungen Menschen heute können sich zum Beispiel ein Leben ohne Smartphone oder Social Media gar nicht mehr vorstellen. Etwa 99,7 Prozent aller 18-Jährigen haben eins und 95 Prozent folgen täglich Influencern. Das sind enorme Zahlen, die eine sehr homogene Klammer darstellen und die infolgedessen eine völlig andere Art des Aufwachsens zeigen als frühere Generationen. Wie aber wiederum jeder Einzelne damit umgeht, tickt oder was er daraus macht, bleibt individuell. Sprich, neben der veränderten Umwelt (Digitalisierung, Eltern) sind Veranlagung (Gene) sowie Persönlichkeit ebenfalls entscheidend, was jemand wie ausprägt.


„Da clashen Welten aufeinander zwischen Alt und Jung, schlicht weil sie völlig unterschiedliche Berufseinstiege hatten und infolgedessen unterschiedliche Arbeitshaltungen haben.“


Im Berufsalltag kommt es zu Spannungen zwischen Jung und Alt. Wo liegen mögliche Gründe?

Dr. Rüdiger Maas: Unsere Studien haben gezeigt, dass 62 Prozent der Berufseinsteiger eine völlig andere Vorstellung von der Arbeitswelt haben, als sie dann vorfinden. Und da beginnen bereits die Spannungen. Fragt man junge Menschen, was ihnen am Arbeitsplatz wichtig ist, wird schnell „angenehme Arbeitsatmosphäre“ (88,7 %)  genannt. Natürlich will niemand das Gegenteil, aber tatsächlich war so eine Forderung vor zehn bis 20  Jahren undenkbar. Zumindest wurde es nicht als Erstes genannt. Der soziodemografische Wandel macht es möglich, dass die Jungen sich heute vielerorts den Arbeitsplatz aussuchen können. Dadurch steigt der Anspruch und man ist weniger zufrieden mit dem, was man bekommt. FOBO steht für „Fear of best Option“ und bedeutet, dass man nicht mit der Hoffnung, den besten Arbeitsplatz gefunden zu haben, in den Berufsalltag einsteigt, sondern mit der Angst, eine noch bessere Option nicht wahrgenommen zu haben. Ganz im Sinne von: „Lieber Arbeitgeber, am Ende habe ich mich für dich entschieden und du nicht für mich“, beginnt man den Eintritt in die Arbeit. Findet man dann nicht das, was man sich vorgestellt hat, ist man schneller geneigt, zu gehen. Vor allem dann, wenn die Menschen sich dem „Neuen“ oder der „Neuen“ gegenüber nicht dankbar zeigen, weil er oder sie sich für dieses Unternehmen entschieden hat. Wenn das ausbleibt, wird schnell gekündigt. Die Gründe hierfür fangen bei der Führung an und hören bei den Überstunden auf. Und genau da clashen Welten aufeinander zwischen Alt und Jung, schlicht weil sie völlig unterschiedliche Berufseinstiege hatten und infolgedessen unterschiedliche Arbeitshaltungen haben.

Wie lassen sich am Arbeitsplatz mehr Momente von Verständnis, Respekt und Zusammenhalt zwischen den Generationen erzielen?

Dr. Rüdiger Maas: Es fängt schon damit an, einander wertfrei zuzuhören. Alt bei Jung und Jung bei Alt. Am Ende geht es nicht um besser oder schlechter, sondern um einen erweiterten Blick, und da müssen beide Parteien sich aufeinander einlassen. Die Jungen sind ja nicht losgelöst von der Umgebung so geworden, sondern weil wir alle das am Ende auch so wollten. Die Jugend ist also mehr oder weniger ein Spiegel unserer Gesellschaft.

Wie können Unternehmen die Stärken und Besonderheiten der Generation Z so für sich nutzbar machen, dass sie zugleich auch deren Bedürfnisse berücksichtigen?

Dr. Rüdiger Maas: Ich würde die Leitungsspannen kleiner machen, damit man entsprechend auch genügend Zeit für Führung hat und Spannungen aus den Gruppen herausnehmen kann. Dann gilt es, Potenziale aufzubauen. Auf so viele Stärken würde ich zunächst erst einmal gar nicht setzen. Was im Übrigen auch nicht schlimm ist, wenn man ein Gegenüber hat, das wirklich Lust hat, etwas zu lernen, sich etwas anzueignen und besser zu werden. Dafür braucht es aber entsprechende Rahmenbedingungen und von vornherein einen größeren Fokus auf Qualität anstatt einer erzwungenen „Quantität“.  

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