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BIOBASIERTE WERTSTOFFE

Auf die Natur gebaut

Biobasierte Werkstoffe gewinnen an Bedeutung. Sie enthalten keine erdölbasierten Materialien, sondern nachwachsende Rohstoffe wie Pflanzenreste oder Zellulose. Dass sie praxistauglich sind, zeigen bereits einige Beispiele regionaler Unternehmen, die gemeinsam mit Startups nachhaltige Impulse setzen.

Zur Herstellung einer Türfüllung braucht es Holz, Metall oder Glas – alles Materialien, die auf fossilen Rohstoffen basieren. Bei Teckentrup, führender Hersteller von Türen und Toren, denkt man mittlerweile um und sucht nach Alternativen, um weniger Ressourcen zu verbrauchen. Einen ersten Schritt sind die Verler bereits gegangen. Sie arbeiten mit biobasierten Werkstoffen, um umweltfreundliche Lösungen zu schaffen.


„Wir entwickeln bereits heute die Materialien für morgen“, sagt Dr. Stefan Klöpfer, Bereichsleiter Produktentwicklung bei Teckentrup.


Angesichts regulatorischer Maßnahmen wie der CO2-Bepreisung sowie der Tatsache, dass konventionelle Materialien wie Stahl, Gips und Mineralwolle in der Herstellung vergleichsweise energieintensiv sind, lenkt Teckentrup verstärkt den Fokus auf nachhaltige Alternativen: „In der Brandschutztechnologie setzen wir bisher vor allem auf anorganische Materialien wie Steinwolle oder Gips. Doch mit Blick auf nachhaltige Alternativen arbeiten wir gemeinsam mit NatStruct daran, für den Anwendungsfall angepasste Werkstoffe zu entwickeln, die funktional überzeugen und sich in die Serienproduktion integrieren lassen. Unser Ziel ist es – unter Berücksichtigung des Gesamtprozesses – innovative Lösungen zu schaffen, bei denen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen.“

Die Zusammenarbeit mit Startups wie NatStruct spielt dabei eine zentrale Rolle. „Nachhaltigkeit beginnt bei den Materialien, die wir einsetzen. Wir entwickeln pflanzliche Fasermaterialien, die herkömmliche Werkstoffe in Dämm- und Brandschutzprodukten ersetzen können. So schaffen wir ressourcenschonende Alternativen, die den ökologischen Fußabdruck der Bau- und Industriebranche reduzieren – und das gemeinsam mit starken Partnern aus der Region“, sagt Startup-Gründer Dominik Schreiber.

Der Verler Türen- und Torbauer ist nur eines von mehreren Unternehmen im Kreis Gütersloh, das sich mit biobasierten Werkstoffen beschäftigt. Auch die pro Wirtschaft GT GmbH, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Kreis Gütersloh, hat das Thema ganz oben auf der Agenda und im letzten Jahr das „Netzwerk biobasierte Werkstoffe“ ins Leben gerufen. Ziel sei es, biobasierte Alternativen zu fossilen Werkstoffen praxisnah in die Unternehmen zu bringen und einen niederschwelligen Einstieg in das Thema Bioökonomie zu erleichtern, so die Wirtschaftsförderer. Außerdem arbeitet man daran, langfristig ein regionales Cluster in diesem Umfeld zu entwickeln, um Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Biobasierte Werkstoffe sind schon lange keine Zukunftsvision mehr und gelten als umweltfreundliche Alternative zu erdölbasierten Materialien. Sie bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Pflanzenfasern, Stärke, Zellulose oder pflanzlichen Ölen und sollen helfen, CO₂-Emissionen zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Einige innovative Rohstoffe befinden sich bereits im Einsatz: Verpackungen aus Pilzmyzel, das durch die Struktur von Pilzgeflechten geformt wird, bieten zum Beispiel eine biologisch abbaubare Alternative zu Styropor. Textilfasern aus Agrar-Reststoffen wie Ananasblättern oder Bananenstämmen schaffen neue Wertschöpfung aus Nebenprodukten der Landwirtschaft. Auch Folien aus Zuckerrohr oder Polymerbeschichtungen aus Stroh zeigen, wie vielfältig pflanzliche Rohstoffe verarbeitet werden können.

Auch im Kreis Gütersloh ist man von der weitreichenden Bedeutung biobasierter Werkstoffe überzeugt. Schließlich spiegeln das auch Studienergebnisse zu biobasierten Lebensmittelverpackungen wider: Biobasierte Werkstoffe können entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Landwirtschaft bis zur Verarbeitung und Vermarktung ihr Potenzial voll entfalten.

Das sieht auch die NRW-Landesregierung so. Auf einer Veranstaltung des „Netzwerks biobasierte Werkstoffe“ in Gütersloh Ende letzten Jahres betonte Dr. Sabine Blankenship, Referentin für Biotechnologie und Bioökonomie im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen: „Ziel der Landesregierung ist es, Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion in Europa zu transformieren. Auf dem Weg zu diesem Ziel spielen Biomasse und daraus gewonnene biobasierte Werkstoffe eine wichtige Rolle, denn Schätzungen von führenden Instituten gehen davon aus, dass rund ein Fünftel des Kohlenstoffbedarfs in der Industrie durch Biomasse gedeckt werden kann“, so Blankenship.

Natürliche Wachse als Rohstoffquelle 

Auch hier zeigte sich, dass das Thema biobasierte Werkstoffe kein reines Zukunftsthema mehr ist. Verschiedene Firmen aus dem Kreis Gütersloh präsentierten ihre Ideen zum Einsatz ressourcenschonender Alternativen, einige stellten ihre bereits entwickelten Produkte vor. Wax Solutions ist so ein Unternehmen, dass biobasierte Beschichtungen für die Papier- und Verpackungsindustrie entwickelt und damit fossil-basierte Kunststoffe ersetzt. Das Versmolder Startup, eine Ausgründung des Versmolder Wurstindustrie-Zulieferers Alfred Willich Produktions GmbH, entstand vor zwei Jahren. Hintergrund war ein gemeinsam mit der Papierindustrie entwickeltes Produkt zur Beschichtung von Verpackungspapieren. Solche Papierverpackungen reichen von Einschlagpapieren an der Bedienungstheke über Backpulvertüten bis zu Versandkartons.


„Viele wissen nicht, dass Papierverpackungen meist Kunststoffbeschichtungen  enthalten. Sogenannte Verbundmaterialien schaffen oftmals Herausforderungen  beim Recycling und können häufig nur noch thermisch verwertet – also verbrannt – werden“, sagt Dr. Kasper van der Zwan, Innovation Manager des Startups.


„Wir entwickeln Lösungen, die ohne erdölbasierte Bestandteile auskommen und für die Industrie ohne Anpassung ihrer gewohnten Prozesse verwendbar sind. Dabei denken wir das Recycling von Anfang an mit. So ersetzen wir Kunststoffe und arbeiten nachhaltig.“ Als Rohstoffe dienen natürliche Wachse sowie weitere nicht fossile Rohstoffe. Das Unternehmen entwickelt Beschichtungen, die auf die jeweiligen Bedarfe angepasst werden und das Papier gegen Einflüsse wie Fett, Wasser oder Wasserdampf  schützen. Eine wichtige Maßgabe bei allen Entwicklungen ist die Recyclingfähigkeit des beschichteten Papiers, um die Papierfasern möglichst lange im Wertstoffkreislauf halten zu können.

Noch sind das einzelne herausragende Beispiele, die zeigen, dass es möglich ist, auf alternative Stoffezu setzen. Dennoch sind für die Herstellung biobasierter Materialien und Werkstoffe noch viele Hürden zu nehmen. Experten betonen, dass es ohne Kreislaufwirtschaft nicht gelingen wird, den Bedarf an Primärrohstoffen zu reduzieren und deshalb Ressourcen effizienter genutzt und Abfälle vermieden werden müssen. Denn der Zugriff auf nicht fossile Rohstoffe ist begrenzt oder ihre Nutzung noch sehr kostenintensiv.

Unternehmen sind deshalb nicht nur gefordert, ihre Produkte kreislauffähig zu entwickeln, vielmehr müssen langfristig auch neue Wertschöpfungsketten entstehen und etablierte Prozesse neu gedacht werden. 
Im Kreis Gütersloh bleibt das Thema im Blick. Neben verschiedenen Austausch- möglichkeiten für Unternehmen setzt einmal jährlich der „Tag der biobasierten Werkstoffe“ wichtige Impulse.  

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