Demofabrik der Hochschule Bielefeld

Kooperationen die Zufälligkeit nehmen

Wenn wissenschaftliche Institutionen mit der Wirtschaft kooperieren, können daraus Erfolgsgeschichten entstehen. Das zeigt ein Blick auf den Campus Bielefeld, wo Hochschule und Universität Bielefeld mit Unternehmen gemeinsam an Problemlösungen arbeiten. 

Roboter, eingehauste Maschinen, Förderanlagen und ein altes Schätzchen, eine Maschine aus der Sammlung von Leonardo da Vinci: In der Demofabrik der Hochschule Bielefeld (HSBI) sieht es wie in einem Produktionsbetrieb aus. „Diese historische Anlage soll zeigen, dass modernste und alte Maschinen miteinander vernetzt werden und kommunizieren können“, sagt Dr.-Ing. Jürgen Sauser, Professor im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM) an der Hochschule Bielefeld (HSBI). Seit 2012 lehrt und forscht er hier zum Thema digitale Transformation und Künstliche Intelligenz (KI) in der Produktion. Vor sieben Jahren ist das Labor in Betrieb gegangen. Es ist sein ganzer Stolz, weil hier eine Fabrik entstanden ist, in der unter realen Bedingungen produziert werden kann und die nicht nur Studierenden einen idealen Ort zum Ausprobieren und Testen bietet, sondern auch Startups und etablierten Unternehmen zur Verfügung steht. Ziel dahinter, Ideen für die Umsetzung der Digitalisierung real werden zu lassen. Der Ort beflügelt und hat schon viele Ideen hervorgebracht. Das Bielefelder Startup Prodaso hat seinen Ursprung in dieser Modellfabrik. Nicolaos Debowiak, einer der Gründer, hat damals seine Masterarbeit bei Professor Sauser geschrieben, sie war die Grundlage für die Entwicklung der Geschäftsidee, mithilfe künstlicher Intelligenz die Produktion zu optimieren. Bis heute stehen das Startup und der Hochschullehrer im regen Austausch, Sauser steht mit Rat zur Seite. Auch das Startup Credular nutzt die Testumgebung, um seine Idee, Expertenwissen durch die Nutzung von Mixed Reality schnell und einfach voranzubringen.
Der Wissenschaftler mag dieses. Generell motiviert es ihn, mit Studierenden an herausfordernden Ideen zu arbeiten, Startups bei der Entwicklung ihrer Geschäftsidee zu begleiten. Das zeige, wie groß das kreative Potenzial sei.

Genauso offen ist der Wissenschaftler auch, wenn es darum geht, etablierten Unternehmen bei der Digitalisierung auf die Sprünge zu helfen. Gerade erst hat er mit dem Innovationsmanager eines in der Region ansässigen Pharmaunternehmens diskutiert und ausgelotet, wie man gemeinsam in Sachen Digitalisierung vorgehen kann.

Professor Sauser sieht in der Umsetzung der digitalen Transformation die große Chance für Unternehmen, ihre Zukunft zu sichern. „Ich bin der Überzeugung, dass sie den Sprung machen müssen, wenn sie nicht in Schieflage geraten wollen. Viele Unternehmen sind noch zu erfolgreich analog unterwegs und deshalb schieben sie die Digitalisierung leider auf die lange Bank“, weiß Jürgen Sauser. Dabei könne man heute bereits sehen, wie schnell sich neue Märkte entwickelten und neue Konkurrenz mit guter Qualität auftauche.

„Betriebe aus Fernost werden so zur Gefahr, weil sie unter ganz anderen Bedingungen fertigen können als wir. Die digitale Transformation ist für mich die Möglichkeit, mit einem relativ schnellen Return von Invest Kosten zu sparen.“

Deshalb wird der Forscher nicht müde, in den Projekten mit den Unternehmen zu zeigen, wie diese mithilfe digitaler Strukturen ihre Produktivität steigern können.
Und das durchaus mit Erfolg. Die Bilanz der erfolgreich abgeschlossenen Projekte kann sich sehen lassen, wie zum Beispiel die zukunftsweisende Kooperation mit einem in der Metallverarbeitung tätigen Betrieb aus dem Kreis Gütersloh mit weltweiten Standorten. Hier haben Professor Sauser, das aus der Hochschule Bielefeld entstandene Startup Prodaso und der Metallverarbeiter gemeinsam die Produktion eines ganzen Werkes digitalisiert und mit KI ausgestattet und damit ein völlig neues Geschäftsmodell aufgebaut. „Das war ein besonders herausragendes Projekt mit einem sehr intensiven Austausch. Die gemeinsame Entwicklung von Ideen zur Umsetzung des Transformationsvorhabens hat enorm viel Spaß gemacht“, blickt Sauser zurück. Er engagiert sich mit Leidenschaft und nimmt seine Rolle als Vermittler zwischen Studierenden, Startups und etablierten Unternehmen ernst. Das schaffe gleich mehrere Win-win-Situationen, ist der Professor überzeugt. Etablierte Unternehmen, die die Nähe zur Hochschule suchen und kooperieren, gelangen in das Blickfeld der Studierenden. Damit wächst das Interesse junger Menschen, bei der späteren Wahl ihres Arbeitgebers auch das Kooperationsunternehmen zu berücksichtigen. Das kann für den Betrieb eine Möglichkeit zur Sicherung seines Fachkräftebedarfs sein. Auf der anderen Seite suchen Studierende Unternehmen, in denen sie Praktika absolvieren können oder Partner für ihre Bachelor- oder Masterarbeit finden können.

Das Interesse seitens der Betriebe an einer Zusammenarbeit mit der Hochschule ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die praxisnahe Forschung und die starke Praxisorientierung der Projekte sind aus Sicht von Sauser zwei Gründe für die hohe Nachfrage.

betont der Professor, der sich in den vergangenen Jahren durch sein Engagement in der Region einen Namen gemacht hat.

Das trägt Früchte.  Produzierende Betriebe verschiedenster Branchen, Metallverarbeiter wie auch Pharmaunternehmen suchen den Kontakt, weil sie den Nutzen von Kooperationen mit der Hochschule erkannt haben. Gemeinsame Workshops und Brainstorming zur Ideenbildung gehören ebenso dazu, wie konkrete Aktivitäten in der Demofabrik.

Kooperationen mit etablierten Unternehmen, die bei personalspezifischen Fragestellungen wissenschaftliche Unterstützung suchen, gehören auch für Junior-Professorin Sabrina Backs von der Universität Bielefeld zum Alltag. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und ihr Team haben ein großes Netzwerk nach außen, nehmen regelmäßig an Veranstaltungen teil, sodass immer wieder neue Kontakte in die Wirtschaft entstehen. Zusätzlich sorgt auch das BRIC (Bielefeld Research + Innovation Campus) auf dem Campus Bielefeld für neue Verbindungen in die Unternehmen, in dem es bei konkreten Anfragen von Betrieben in den beiden Hochschulen nach Ansprechpartnern für das jeweilige „Problem“ sucht. Gerade gestartet ist ein Projekt mit einer in der Region ansässigen Werbeagentur. Es ist nicht das erste Mal, dass Professorin Backs mit den Kreativen kooperiert.

„Wir haben schon häufiger zusammengearbeitet. Ziel des neuen Projekts ist es, mit wissenschaftlichem Blick auf die Agenturwelt der Zukunft zu schauen und herauszufinden, ob der Beruf des Texters auch künftig noch gefragt ist oder ob es mehr Menschen braucht, die in der Programmierung und dem Umgang verschiedenster Tools qualifiziert sind“, beschreibt die Wissenschaftlerin. Anfragen bekommen Sauser und viele andere Fachbereiche der HSBI sowie die Forschenden an der Universität Bielefeld auch durch die Arbeit des Think Tank OWL, der Teil des BRIC ist. Diese Service-Unit Transfer, die von Hochschule und Universität Bielefeld gemeinsam geschaffen wurde, ist eine eher ungewöhnliche Konstellation in der Hochschullandschaft, weil beide Institutionen bereits eigene Transferstellen besitzen.
Seit zwei Jahren engagiert sich die Initiative auf dem Campus Bielefeld, um Kooperationen zwischen den beiden Hochschulen und Unternehmen die Zufälligkeit zu nehmen, wie Klaus-Peter Jansen betont.

„Einige Betriebe sind offen und sprechen uns direkt an. Viele halten sich immer noch zurück. Das ist schade. Dieser Zufälligkeit von Kontakten in die Wissenschaft die Häufigkeit zu nehmen, ist unsere Motivation.“

Deshalb werden Jansen, der bis Ende letzten Jahres beim Spitzencluster it´s OWL tätig war, und seine Kolleginnen und Kollegen nicht müde, die Sichtbarkeit der beiden Bielefelder Institutionen voranzutreiben und den Campus als Wissenschaftsexpertise-Träger mit transferierbarem Wissen zu präsentieren. Sie gehen über verschiedene Formate nach außen und schaffen niedrigschwellige Zugänge. „Oftmals sind Unternehmen der Ansicht, dass ihr spezielles Problem zu trivial für die Wissenschaft sei. Wir verstehen Transfer nicht zwangsläufig als langfristige Drei-Jahres-Kooperationen. In der Regel laufen die gemeinsamen Projekte zwischen drei und zwölf Monate. Im Gespräch finden wir heraus, welche Themen und Fragestellungen das Unternehmen bewegt. Dabei sehen wir, ob eine Bachelor-Arbeit, ein studentisches Projekt oder eine Kooperation mit einem Fachbereich oder einer Fakultät in Frage kommt“, erzählt der Netzwerker von seiner Arbeit. Bisher habe es immer einen Match gegeben. Haben Wissenschaftler und Unternehmen zueinandergefunden, ist seine Arbeit erst einmal beendet, wobei er bei spontanen Fragen immer ein offenes Ohr hat. Transfer ist für ihn die Bundesobligation unter den Investments, nicht sehr hoch verzinst, aber mit Blick auf die Laufzeit doch eine lohnenswerte „Investition“.
Potenzial sieht der Think Tank OWL auch in den studentischen Ausgründungen, die vielfach jenseits des Radars von etablierten Corporates stattfinden.

„Das wollen wir ändern. Viele dieser jungen Gründerinnen und Gründer suchen nach Unternehmen, mit denen sie ihre Idee weiterentwickeln können. Meistens geht es ihnen um einen Kontakt auf Augenhöhe, aus dem sich etwas entwickeln und vielleicht sogar etwas Großes entstehen kann”, so Klaus-Peter Jansen.

Andere haben bereits Geschäftsmodelle entwickelt, die etablierten Unternehmen bei der Bewältigung verschiedenster Herausforderungen hilfreich sein können, wie zum Beispiel das gerade gegründete Startup JoBooking, dass Betrieben hilft, Auszubildende zu gewinnen. Eine Lösung, die bereits vor der offiziellen Markteinführung auf großes Interesse bei den Unternehmen gestoßen ist.

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