In unserer Serie berichtet Prof. Dr. Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn (TecUP), über erfolgreiche Ausgründungen und den Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft.
Effizientes Lagermanagement spielt heutzutage für viele Unternehmen eine entscheidende Rolle. Im Hinblick auf die optimale Nutzung des vorhandenen Lagerraumes und enorme Kosten für Lagerfläche stehen vor allem kleine und mittelständische Betriebe vor der Herausforderung, mit konkurrierenden großen Logistikzentren mithalten zu können. Sie führen das Lagermanagement meist noch manuell durch, Mitarbeitende müssen Bestände überwachen sowie Kleinteile selbst kommissionieren und umlagern. Dies führt dazu, dass Lagerraum oft ineffizient genutzt wird, da beispielsweise Platz für Personen in den Gängen sichergestellt werden muss. Zudem sind bei hohem Bestellaufkommen überarbeitete Mitarbeitende und Engpässe in der Warenauslieferung das zu erwartende Resultat.
Diese Problematik des Lagermanagements in mittelständischen Betrieben hat das Team von Cellgo erkannt. Es hat einen modularen Lagerautomaten entwickelt und damit Lagerautomatisierung auch für kleine und mittelständische Unternehmen zugänglich gemacht. Dieser automatisiert die Warenlagerung sowie die Förderung von Gütern und Kleinteilen. Ausgelegt auf Euronormbehälter können intelligente Unterfahrroboter die Güter dynamisch aus dem dazugehörigen Lager zu beliebigen Stationen bewegen. Wertvolle Zeit- und Personalressourcen werden auf diese Weise eingespart. Das automatische Kleinteilelager lässt sich in bestehende Infrastrukturen integrieren und kann dabei mit zunehmender Lagerfläche „mitwachsen“, was einen wichtigen Vorteil für kleine und mittelständische Betriebe mit Blick auf die Investitionskosten bedeuten kann. Neben den Anwendungsbereichen in der Produktion ist die Anbindung des Cellgo-Lagersystems an gleich mehrere Webshops möglich, da Schnittstellen zum Warenwirtschaftssystem oder zu etablierten Shopanbietern vorhanden sind.
Das Gründerteam von Cellgo umfasst insgesamt fünf Personen. Ideengeber ist Lukas Puls. Er hat seinen Job im Mittelstand aufgegeben, um über ein Stipendium Erfahrungen im Silicon Valley in den USA zu sammeln. Dort erkannte er das große Potential von Automatisierungssystemen. Zurück in Paderborn, kam es über das universitäre Netzwerk zur Besichtigung eines Kleinteilelagers, wo die Idee zur Lagerautomatisierung von Kleinteilen entstand. Christoph Dreesbach studierte neben seiner Ausbildung zum Industriemechaniker in einem internationalen Konzern Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Paderborn und ist heute CEO. Finn Buttgereit (COO) studierte neben seiner Ausbildung in einem internationalen Konzern Maschinenbau und promoviert im Bereich der angewandten Mechanik an der Universität Paderborn. Weiterhin ergänzen Malik Hafez und Bhuvan Sharma (CTO) das Gründerteam. Malik Hafez stieß nach seinem Studium und einer Tätigkeit im Bereich IoT-Systeme als Vertriebler zum Gründerteam hinzu. Bhuvan Sharma sammelte während seines Informatikstudiums Startup-Erfahrung und veröffentlichte Publikationen im Bereich „Big Data“. Das Cellgo-Team wird mittlerweile durch sechs weitere Mitarbeitende komplettiert, die die Gründer vor allem in der Weiterentwicklung des Lagerautomaten sowie im Büromanagement und Marketing unterstützen. Im Gegenzug bieten die Gründer den Mitarbeitenden ein sehr modernes Arbeitsumfeld mit flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Unser Gründungsinkubator garage33 ermöglicht dem Team neben der Nutzung von Büroräumlichkeiten auch den Zugang zu unserem Maker Room, in welchem der Lagerautomat unter Fachanleitung stetig im Sinne der Prototypenfertigung weiterentwickelt werden kann. Das Team profitierte außerdem bereits von Coachings und Workshops zum Thema Marketing und weiteren gründungsbezogenen Fachthemen. Gemäß den Gründern waren außerdem der Zugang zu Kontakten im Startup-Ökosystem, Netzwerkevents sowie der Austausch mit anderen Gründenden aus der Region sehr wertvoll. Mit ihrer innovativen Idee zur Automatisierung von Kleinteilelagern konnten die Gründer auch Instanzen außerhalb der Universität überzeugen. Sie erhielten 2020 eine Förderung durch den EXIST-Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), welches herausragende forschungsbasierte Gründungsvorhaben unterstützt. Seit 2022 profitieren sie außerdem vom EXIST-Gründungsstipendium des Landes NRW. Der modulare Lagerautomat des Startups konnte bereits Kunden begeistern. Die erste industrielle Anlage nutzt ein Logistikdienstleister in Rheda-Wiedenbrück, weitere sind in Planung. Im April durfte das junge Startup seine Innovation auf Europas größter Fachmesse für Intralogistik-Lösungen und Prozessmanagement LogiMAT präsentieren. Als nächstes fokussiert sich das Team auf Weiterentwicklungen der Soft- und Hardware und bereitet sich auf eine weitere Finanzierungsrunde vor.
In Zeiten von Schnelllieferdiensten und eines stetig wachsenden E-Commerce in allen Branchen befähigt Cellgo Kleinunternehmen, mit ihren großen Konkurrenten mitzuhalten. Dabei werden Lagermitarbeitende durch diese Automatisierung keineswegs „ersetzt”. Im Gegenteil – sie können ihre Fähigkeiten in Aufgaben einbringen, welche Fachwissen, menschliche Intelligenz und Genauigkeit verlangen. Eine zukunftsweisende Innovation, die den Mittelstand stärkt.
Prof. Dr. Sebastian Vogt ist Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Centers der Universität Paderborn (TecUP), dem Exzellenz Start-up Center OWL. Anhand von Best-Practice-Beispielen berichtet er, wie es durch Hochschulausgründungen gelingen kann, Forschungserkenntnisse für Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen.