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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN DER TRANSPORTLOGISTIK

Wie Speditionen den Wandel meistern können

Die Transportlogistik steht vor einem tiefgreifenden technologischen Wandel. Angesichts steigender Betriebskosten, wachsender Komplexität globaler Lieferketten und des anhaltenden Fachkräftemangels suchen viele Unternehmen nach neuen Wegen, um ihre Prozesse effizienter, robuster und zukunftsfähiger zu gestalten. Künstliche Intelligenz (KI) wird dabei zunehmend als Schlüsseltechnologie verstanden – nicht nur für die Optimierung operativer Abläufe, sondern auch für strategische Entscheidungen entlang der gesamten Lieferkette.

Laut einer aktuellen Erhebung von Bitkom Research aus dem Jahr 2024 investieren mittlerweile 37 Prozent der deutschen Unternehmen aktiv in KI, weitere 32 Prozent haben dies in der Vergangenheit getan, und rund drei Viertel der Betriebe planen, sich künftig mit entsprechenden Anwendungen auseinanderzusetzen. Diese Zahlen zeigen, dass das Interesse an KI branchenübergreifend groß ist. Gleichzeitig bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede im Reifegrad einzelner Branchen – insbesondere im Logistiksektor. Während große Logistikdienstleister wie DHL, DB Schenker oder Kühne + Nagel gezielt in KI-Technologien investieren, beispielsweise zur Routenoptimierung, zur Prognose von Sendungsmengen oder zur Automatisierung in der Lagerlogistik, verläuft die Adaption in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) deutlich verhaltener.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: Oft fehlen die internen IT-Ressourcen, die notwendige Datenbasis oder schlicht das Know-how, um den wirtschaftlichen Nutzen konkreter KI-Anwendungen zuverlässig abzuschätzen. Insbesondere Fragen der Integration in bestehende Systeme sowie der langfristigen Skalierbarkeit bereiten vielen Unternehmen Kopfzerbrechen. Dabei ist gerade im Mittelstand das Potenzial enorm – denn durch praxistaugliche, modulare KI-Lösungen lassen sich Prozesse gezielt verbessern, Abläufe stabilisieren und bestehende Strukturen entlasten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Technologie verständlich bleibt, sich in den Arbeitsalltag integrieren lässt und einen klaren Mehrwert bietet.

KI im Logistikalltag: Vom Routing bis zur Lagerverwaltung

Bereits heute kommt KI in verschiedenen Bereichen der Transportlogistik zum Einsatz. Ein zentrales Anwendungsfeld in der Logistik ist die Routen- und Tourenplanung. KI-gestützte Systeme analysieren in Echtzeit Daten wie Verkehrslage, Wetterbedingungen, Mautkosten und Auftragsvolumina. Auf dieser Basis berechnen sie die effizientesten Strecken, was nicht nur die Pünktlichkeit verbessert, sondern auch Kraftstoff spart und die Wirtschaftlichkeit erhöht. Besonders im Fernverkehr leisten diese Systeme einen wichtigen Beitrag, um gesetzliche Vorgaben wie Lenk- und Ruhezeiten sowie saisonale Schwankungen zu berücksichtigen und dabei eine ausgewogene Balance zwischen Geschwindigkeit und Kosten zu erreichen. Gleichzeitig ermöglicht KI eine bessere Steuerung von Rückladungen, sodass Leerfahrten reduziert und Fahrzeuge optimal ausgelastet werden.


Neben operativen Abläufen verbessert KI auch die strategische Planung. Durch die Analyse von Marktbewegungen können Unternehmen ihre Transportkapazitäten gezielter und flexibler anpassen.


Auch in der Lagerlogistik zeigt sich der Nutzen von KI deutlich. Algorithmen unterstützen bei der Bestandsoptimierung, indem sie auf Grundlage historischer Daten und aktueller Trends Nachfrageprognosen erstellen. So lassen sich Transportmengen besser steuern, Über- oder Unterbestände vermeiden und die Effizienz in Distributionszentren steigern. Ergänzt wird dies durch den Einsatz autonomer Systeme, die mit KI gesteuert Kommissionierprozesse übernehmen oder Lagerbestände verwalten – ein Beispiel für die zunehmende Verbindung von künstlicher Intelligenz und Automatisierung in der Logistik.

Neben operativen Abläufen verbessert KI auch die strategische Planung. Durch die Analyse von Marktbewegungen können Unternehmen ihre Transportkapazitäten gezielter und flexibler anpassen. KI-Modelle verknüpfen historische Daten mit aktuellen Entwicklungen, um präzise Prognosen über Nachfrageschwankungen zu erstellen. Diese ermöglichen eine vorausschauende Disposition von Fahrzeugen und helfen dabei, auch unter volatilen Rahmenbedingungen wie Lieferkettenstörungen oder geopolitischen Unsicherheiten handlungsfähig zu bleiben.

Ein weiteres relevantes Anwendungsfeld ist die KI-gestützte Frachtbündelung. Auf Basis von Sendungsmustern erkennt das System passende Kombinationen von Teilladungen, die auf ähnlichen Routen unterwegs sind. Dadurch wird der Frachtraum besser ausgenutzt, Leerfahrten werden vermieden und die vorhandene Transportkapazität effizienter eingesetzt. Ergänzend dazu bietet KI Vorteile bei der dynamischen Preisgestaltung. Sie kann Angebot und Nachfrage in Echtzeit bewerten und Preisempfehlungen liefern, die eine wirtschaftliche Auslastung der Kapazitäten ermöglichen – insbesondere bei Express- oder Sonderfahrten ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.

Nachhaltigkeit durch KI

Ein oft unterschätzter Aspekt des KI-Einsatzes in der Spedition ist der Beitrag zur Nachhaltigkeit. Durch eine intelligente Tourenplanung lassen sich nicht nur Zeit und Kosten sparen, sondern auch Emissionen deutlich reduzieren. Weniger Leerfahrten, kürzere Wege und eine gleichmäßigere Auslastung der Fahrzeuge führen direkt zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch und damit zu einem geringeren CO₂-Ausstoß.

Zudem ermöglicht KI eine vorausschauende Wartung von Fahrzeugen. Statt nach starren Intervallen zu warten, erkennen KI-Systeme frühzeitig Verschleiß oder potenzielle Schäden und planen die Instandhaltung gezielt ein. Das verlängert die Lebensdauer der Fahrzeuge, senkt den Ressourcenverbrauch und verhindert unnötige Stillstände.

Auch in der Auswahl der eingesetzten Fahrzeuge kann KI unterstützen: Durch Datenanalysen lassen sich etwa Einsatzprofile erkennen, bei denen sich ein Umstieg auf alternative Antriebe wie Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge besonders lohnt. Insgesamt bietet KI damit nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch eine wertvolle Unterstützung bei der ökologischen Transformation der Logistikbranche.

Obwohl die Möglichkeiten vielversprechend sind, stehen insbesondere KMU vor Herausforderungen. Die Kosten für die Implementierung von KI-Technologien sind hoch, und es fehlt oft an Fachkräften mit dem notwendigen Know-how. Zudem sind viele Unternehmen skeptisch, ob sich der Investitionsaufwand lohnt. Ein weiteres Problem ist die Qualität und Verfügbarkeit von Daten. KI-Systeme sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert werden. Viele Logistikunternehmen arbeiten jedoch mit fragmentierten und unstrukturierten Datenbeständen, was die Einführung von KI-Lösungen erschwert.

Trotz dieser vielfältigen Chancen bleibt der Einstieg für viele Unternehmen eine Herausforderung. Die Systeme sind komplex, die Begriffe abstrakt, und die Investitionen nicht immer einfach zu rechtfertigen. An diesem Punkt setzt die Plattform Omnistics an. Entwickelt am Fraunhofer IML, richtet sich Omnistics gezielt an kleine und mittelständische Unternehmen und bietet eine modulare, praxistaugliche und skalierbare KI-Plattform für die Logistik. Das Besondere: Die einzelnen Module – von Capcast über Pretime bis hin zu LoOmniChat – lassen sich unabhängig voneinander einsetzen und bei Bedarf kombinieren. So können Unternehmen klein starten, Erfahrungen sammeln und die KI-Integration schrittweise ausbauen. Die Plattform ist cloudbasiert, datenschutzkonform und wird durch das Fraunhofer IML aktiv betreut. Schulungen und begleitende Pilotprojekte sorgen dafür, dass Technologie verständlich bleibt und in den betrieblichen Alltag integriert werden kann.

Omnistics steht damit beispielhaft für eine neue Generation von KI-Lösungen: anwendungsnah, verständlich und vor allem erreichbar – auch für Unternehmen, die bisher wenig Erfahrung mit datengetriebenen Prozessen haben. Der Wandel zur KI-gestützten Logistik ist kein Selbstzweck, sondern eine notwendige Antwort auf reale Probleme: Kostendruck, Fachkräftemangel, Zeitdruck, Nachhaltigkeitsanforderungen. Wer ihn gestaltet, statt nur zu reagieren, verschafft sich einen strukturellen Vorteil. Die Technologie ist da. Die Tools sind verfügbar. Jetzt liegt es an den Unternehmen, diese auch zu nutzen.

Der Einsatz von KI in der Transportlogistik ist längst keine Zukunftsvision mehr. Während einige Unternehmen bereits umfassende KI-gestützte Systeme nutzen, besteht insbesondere für KMU noch Nachholbedarf. Der Schlüssel liegt in einer strategischen Herangehensweise: Wer frühzeitig investiert und gezielt auf Partner setzt, kann langfristig von höherer Effizienz, besseren Prognosen und mehr Nachhaltigkeit profitieren. Die Transformation ist in vollem Gange – und die Transportlogistik steht vor einer neuen Ära der Digitalisierung.

Autor des Beitrags ist Martin Friedrich, Senior Scientist am Fraunhofer IML.

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