Bei der Neu- oder Weiterentwicklung von Produkten ist eine Patentrecherche in unterschiedlichen Stadien des Entwicklungsprozesses üblich. Wie KI dabei unterstützen kann, erklärt Patentanwalt Dipl.-Ing. Detlef Brandt, Geschäftsführer Patent- und Innovations-Centrum Bielefeld GmbH (PIC).
Im Anfangsstadium kann eine Recherche zum Stand der Technik (SdT) helfen, sich einen Überblick über vorhandene technische Entwicklungen zu machen, die bei der Abfassung eines Lastenheftes oder der Verfahrensabläufe während der Entwicklung helfen können. Das Ergebnis einer solchen Recherche kann dazu beitragen, zu verhindern, dass das „Rad nochmals neu erfunden wird“ und gleichzeitig Aufschluss darüber geben, wo der Wettbewerb steht. Am Ende des Entwicklungsprozesses sollte immer eine Recherche zum SdT stehen, um das Ergebnis falls möglich patentrechtlich abzusichern und um zu verhindern, dass der eigene Entwicklungsaufwand von Nachahmern ohne Eigenaufwand genutzt wird.
Künstliche Intelligenz (KI) kann bei diesen oben angesprochenen Recherchen zum SdT eine große Hilfe sein und erhebliche Vorteile bieten, indem sie den Rechercheprozess effizienter, schneller und präziser gestaltet. Der SdT bezieht sich üblicherweise auf das gesamte vorhandene Wissen und die Technologien, die zum Zeitpunkt einer Patentanmeldung oder einer technischen Untersuchung als relevant gelten. Eine gründliche Recherche in diesem Bereich ist entscheidend, um den Neuheitsgrad einer Erfindung zu prüfen, die Erfindungshöhe abzuschätzen und potenzielle Patentverletzungen zu vermeiden.
1. Automatisierte Sammlung und Auswertung von Daten
KI-basierte Systeme können große Mengen an Patenten, wissenschaftlichen Publikationen, technischen Berichten und anderen relevanten Quellen durchforsten. Mit Hilfe von maschinellem Lernen und natürlichen Sprachverarbeitungsalgorithmen (NLP) können KI-Tools den Text analysieren, relevante Informationen extrahieren und strukturieren. Dies spart enorm viel Zeit im Vergleich zur manuellen Recherche und ermöglicht es, aus riesigen Datenmengen relevante Inhalte schnell zu identifizieren.
2. Erkennung von relevanten Mustern und Zusammenhängen
KI kann dabei helfen, relevante technologische Trends und Muster zu erkennen, die für die Recherche zum SdT von Bedeutung sind. Algorithmen zur Mustererkennung können aufzeigen, wie bestimmte Technologien sich im Laufe der Zeit entwickelt haben oder in welchem Bereich es noch Forschungslücken gibt. Diese Fähigkeit ist besonders hilfreich, wenn es darum geht, eine umfassende Übersicht über einen bestimmten Technologiebereich zu gewinnen und potenzielle Innovationsfelder zu identifizieren.
3. Vermeidung von Duplikaten und Redundanz
Bei der Recherche zum SdT ist es wichtig, nicht nur relevante Dokumente zu finden, sondern auch unnötige Duplikate und bereits bekannte Technologien auszuschließen. KI-Systeme können durch intelligente Algorithmen ähnliche Patente oder wissenschaftliche Arbeiten automatisch identifizieren und dabei helfen, redundante Ergebnisse zu vermeiden. Dies verbessert die Qualität und Effizienz der Recherche.
4. Sprach- und Textanalyse
KI-gestützte Tools, die natürliche Sprachverarbeitung nutzen, können auch eine präzisere und detailliertere Textanalyse durchführen. Sie sind in der Lage, nicht nur die Schlüsselbegriffe zu erkennen, sondern auch den Kontext, in dem diese Begriffe verwendet werden, zu verstehen. Dies ermöglicht es, die Suchergebnisse gezielt nach spezifischen Aspekten einer Erfindung oder Technologie zu filtern und den relevanten SdT noch genauer zu bestimmen.
5. Vorausschauende Analyse und Trends
KI kann außerdem dabei helfen, zukünftige Trends im SdT zu prognostizieren. Mit Hilfe von Datenanalyse und Prognosemodellen kann die KI potenzielle Entwicklungslinien aufzeigen und technologische Innovationen vorhersagen. Dies ist besonders nützlich für Unternehmen, die strategische Entscheidungen bezüglich Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen treffen möchten.
6. Optimierung der Rechercheprozesse
KI-basierte Werkzeuge können die Recherche effizienter gestalten, indem sie die Suche nach bestimmten Informationen optimieren. Mit Hilfe von „intelligenten“ Suchalgorithmen, die sich durch maschinelles Lernen kontinuierlich verbessern, kann die KI eine personalisierte und präzisere Recherche durchführen, die genau auf die Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer abgestimmt ist. Dies reduziert nicht nur den Zeitaufwand, sondern verbessert auch die Qualität der Ergebnisse.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Künstliche Intelligenz die Recherche zum SdT revolutionieren kann, indem sie den Rechercheprozess automatisiert, die Datenanalyse optimiert und tiefere Einblicke in technologische Entwicklungen bietet.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass die fachlichen Experten in den Entwicklungsabteilungen sich uneingeschränkt auf die durch die KI erstellten Ergebnisse verlassen sollten. Eine fachliche Analyse durch die in den Unternehmen vorhandenen Technikexperten muss immer am Ende der Recherche zum SdT stehen!