Erfinder fragen sich oft, ob es nicht sinnvoller sei, ihre Innovation geheim zu halten, statt ein Patent anzumelden und damit in Kauf zu nehmen, dass die Erfindung bei Patentveröffentlichung für jedermann zugänglich wird. Neue Möglichkeiten zum Geheimnisschutz bietet seit 2019 das Geschäftsgeheimnisgesetz, das alte Schutzlücken geschlossen hat. Auf der anderen Seite ist es seit jeher das Grundprinzip eines Patents, den Erfinder für die Preisgabe seiner Erfindung mit einem Monopol zu belohnen.
Wir möchten mit zwei Praxisbeispielen zeigen, dass Geheimnisschutz und Patentierung bei technischen Erfindungen keine Alternativen sind, die sich ausschließen, sondern die sich bei einer guten Innovationsstrategie sinnvoll ergänzen sollten oder sogar müssen.
Fall 1 – Geheimhaltung, aber kein Patent
Ein Einzelunternehmer hat eine kamerabasierte Steuerung für ein Arbeitsgerät entwickelt. Die Erfindung liegt bei der Bildauswertung und ist tief in der passwortgeschützten Steuerungssoftware verborgen. Er hat keine Mitarbeiter, durch die Einzelheiten darüber nach außen gelangen könnten. Scheinbar wären dies die idealen Voraussetzungen, allein auf Geheimnisschutz zu setzen und auf eine Patentierung zu verzichten. Kurz bevor er mit seiner Steuerung auf den Markt gehen möchte, erfährt er, dass sein direkter Wettbewerber ein nahezu gleiches System patentiert hat. Die Anmeldung des Patents erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem er seine eigene Erfindung schon fertig entwickelt und ersten zur Verschwiegenheit verpflichteten Testkunden zur Verfügung gestellt hatte. Da er auf Geheimhaltung gesetzt hatte, kann er weder Unterlagen vorlegen, um das fremde Patent zu Fall zu bringen, noch kann er beweisen, dass am Anmeldetag des fremden Patents seine eigene Erfindung bereits fertiggestellt war, um sich auf ein Ausnahmerecht vom fremden Patentschutz zu berufen. Am Ende darf er sein Produkt wegen des Wettbewerb-Patents nicht mehr vermarkten.
Bewertung: Der Unternehmer hätte zusätzlich zur Geheimhaltung eine eigene Patentanmeldung einreichen und vom Patentamt prüfen lassen sollen. Hätte sich dabei abgezeichnet, dass der Patentierung nichts im Wege steht, hätte er die Innovation exklusiv für sich beanspruchen können und ein Geheimnisschutz hätte ihm keinen Vorteil mehr gebracht. Bei negativem Prüfungsergebnis hingegen hätte er die Patentanmeldung vor der Veröffentlichung zurücknehmen können, sodass der Geheimnisschutz wieder gewahrt wäre. Durch die zurückgezogene Patentanmeldung hätte er dennoch beweisen können, dass er am Anmeldetag des fremden Patents bereits selbst im Besitz einer gleichartigen, fertigen Erfindung war und dass er deshalb vom Patentschutz des Wettbewerbers ausgenommen ist.
Fall 2 – Patent, aber keine Geheimhaltung
Das Unternehmen A stellt Extruder her. Für eine Verbesserung wird ein Patent erteilt. Mitarbeiter B verlässt das Unternehmen, gründet eine eigene Firma und erhebt Einspruch gegen das neue Patent seines früheren Arbeitgebers. Am Patentamt legt er zum Beweis seiner Behauptung, dass die patentierte Erfindung nicht mehr neu sei, Dokumente vor, die er während seiner Beschäftigung von dem für alle technischen Mitarbeiter zugänglichen Unternehmensserver geladen und anschließend potentiellen Kunden gezeigt hat. Das Patent wird widerrufen.
Bewertung: Bei einem Geschäftsgeheimnis handelt es sich um eine Information, die nicht allgemein bekannt ist, die einen wirtschaftlichen Wert für den Geheimnisinhaber besitzt und die Geheimhaltungsmaßnahmen unterliegt. Da es hier solche Maßnahmen nicht gab, hat B die Dokumente nicht unerlaubt an sich genommen. Firma A hätte sie so sichern müssen, dass sie B im Rahmen seiner Tätigkeit gar nicht zugänglich gewesen wären oder dass B bei einem Zugriff den eindeutigen Hinweis auf vertrauliche Dokumente erhalten hätte.
Nur wenn Geheimhaltungsmaßnahmen bestehen, kann Mitarbeitern bewusstwerden, ob die von ihnen benutzten technischen Informationen ein Geschäftsgeheimnis des Arbeitgebers darstellen oder nicht, und nur so kann rechtlich zwischen erlaubt oder unerlaubt erlangten Informationen unterschieden werden. Die Sicherung kann technischer wie vertraglicher Natur sein, sie muss nur ein ernsthaftes Bemühen erkennen lassen. Erforderlich ist eine Barriere, die jedem Angestellten unmissverständlich klarmacht, wann er Befugnisse überschreitet und unerlaubt handelt. Es kann reichen, bestimmte Dateien in einem passwortgeschützten Bereich auf dem Firmenserver abzulegen, zu dem nur diejenigen Zugang haben, die ihn für ihre Arbeit auch benötigen. Umgeht jemand bewusst eine Sicherung, indem er zum Beispiel die Zugangsdaten eines berechtigten Kollegen für das Login benutzt, kann er wegen unerlaubter Aneignung eines Geschäftsgeheimnisses zivil- und strafrechtlich belangt werden.
Weitere Informationen: www.boehmert.de
Autor des Beitrags ist Oliver Tarvenkorn. Der Patentanwalt, European Patent Attorney sowie European Trade Mark and Design Attorney und Vertreter vor dem EPG ist für BOEHMERT & BOEHMERT an den Standorten Düsseldorf und Bielefeld tätig.