Zukunftstechnologien

„KI wird zur entscheidenden Schlüsseltechnologie“

Besonders große Konzerne setzen auf zukunftsweisende Technologien wie Künstliche Intelligenz, um ihre Effizienz zu erhöhen. Warum auch kleine und mittlere Unternehmen auf den Zug aufspringen müssen und was bereits möglich ist, erklärt Tommy Falkowski, Strategic Manager beim Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM in Paderborn und beim Kompetenznetzwerk it’s OWL.

Herr Falkowski, laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft setzt bereits die Hälfte der Industrieunternehmen KI-Tools ein. Der Durchschnitt in der deutschen Wirtschaft liegt bei nur 17 Prozent. Welche Chancen und Möglichkeiten eröffnet der Einsatz von KI für mittelständische Unternehmen vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen wie zum Beispiel CO2-neutrale Produktion, Fachkräftemangel, Energie-Effizienz und intelligente Produktion?
Tommy Falkowski: Wir sind davon überzeugt, dass die genannten Herausforderungen nur mit Hilfe von intelligenten technischen Systemen zu bewältigen sind. Deshalb haben wir gemeinsam mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die sich in unserem Netzwerk engagieren, unsere neue Strategie ‚Industrie.Zero‘ entwickelt, die Nachhaltigkeit durch Technologie fordert.
Die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz in den vergangenen zwei Jahren haben die Erwartungen der meisten Expertinnen und Experten teils deutlich übertroffen. Es stellt sich aus unserer Sicht nicht die Frage, ob, sondern wo wir anfangen, die Potenziale der künstlichen Intelligenz für die Unternehmen zu erschließen. Gerade vor dem Hintergrund des breiten Fachkräftemangels wird KI zur entscheidenden Schlüsseltechnologie, da wir ohne eine Automatisierung bestimmter Aufgaben mittelfristig an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen könnten. Im Hinblick auf CO2-Neutralität und Energieeffizienz ist KI natürlich ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite können maschinelles Lernen und KI beispielsweise die Energiebedarfe analysieren und optimieren, sodass wir eine Energieeinsparung und Reduzierung von Emissionen erreichen können. Dem gegenüber steht allerdings der steigende Energiebedarf für das Training immer größerer KI-Modelle, auf den wir zugegebenermaßen nur bedingt Einfluss nehmen können. Diesen Energiebedarf werden wir aber nicht ohne einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien decken können, was wiederum zu einer Konzentration auf Innovationen in diesem Bereich führen wird.

Wie kann KI dazu beitragen, die Produktivität und Effizienz in der Industrie zu verbessern?
Tommy Falkowski: Es gibt Anwendungsbereiche, von denen alle Unternehmen unmittelbar profitieren können. Durch die jüngsten Innovationen im Bereich der Large-Language-Models (LLM) wie GPT-4 sind aktuelle KI-Systeme in der Lage, Texte, natürliche Sprache und sogar Bilder mit teils beeindruckender Genauigkeit zu verarbeiten und uns in unserem beruflichen und privaten Alltag deutlich zu unterstützen. Eine häufig wiederkehrende Aufgabe ist zum Beispiel die Extraktion von Informationen aus Texten, was mit Hilfe von LLMs teils in wenigen Sekunden erledigt werden kann. Auch die Zusammenfassung und Verdichtung von Informationen funktioniert mit den Systemen in den meisten Fällen sehr gut. Wichtig ist hier aber, dass der Umgang mit diesen Systemen ein neues Paradigma für die Anwenderinnen und Anwender darstellt, da anders als bei deterministischen Ansätzen, die Ausgabe der Systeme nicht in jedem Fall 100 Prozent korrekt ist. Unser kritisches Denkvermögen und unsere Lösungskompetenz werden dadurch also nicht obsolet, sondern im Gegenteil sogar noch wichtiger.

Ein Blick auf unsere Region: Welche Branchen nutzen bereits diese Technologie oder beschäftigen sich damit?
Tommy Falkowski: Eine Anmerkung vorweg: Die Nutzung von KI wie ChatGPT am Arbeitsplatz, wird, auch wenn Unternehmen dieses ausdrücklich verbieten, nicht aufzuhalten sein. Das haben diverse Studien bereits belegt. Deshalb ist es so wichtig, dass Unternehmen hier zügig handeln und ihren Mitarbeitenden Zugang zu Tools ermöglichen, die im Hinblick auf Datenschutz und IT-Sicherheit für das Unternehmen nutzbar sind. Es gibt in unserer Region tatsächlich mehrere Vorreiter, die schon frühzeitig neueste KI-Tools in ihren Unternehmen eingeführt haben. Dabei spielen die Branche und Unternehmensgröße weniger eine Rolle als vielmehr die Neugierde einzelner Mitarbeitender, die das Thema vorangetrieben haben. Das Interesse steigt aber zunehmend auch in der Breite und wir erhalten fast täglich Anfragen von Unternehmen, die Unterstützung bei der Einführung von KI suchen.

Stichwort Kostenfaktor: Sind notwendige Investitionen ein Hemmnis für kleine und mittlere Unternehmen, sich für den Einsatz von KI zu entscheiden?
Tommy Falkowski: Das hängt sehr stark vom Anwendungsfall ab. Für eine breite Unterstützung im Arbeitsalltag können Unternehmen Einzelplatzlizenzen beispielsweise von ChatGPT oder dem Microsoft Copilot für 20 bis 30 Euro pro Nutzer und Monat kaufen. Allein mit dieser Maßnahme und nach einer schlankenSchulung der Mitarbeitenden lässt sich aus meiner Sicht schon sehr viel Produktivität gewinnen. Wenn es um spezifische Anwendungsfälle geht, können die Investitionskosten natürlich auch höher ausfallen. Hier lohnt sich eine initiale Kosten-Nutzen-Rechnung, wobei Unternehmen bedenken müssen, dass Kosten für Hardware und das eventuelle Trainieren von KI-Modellen je nach Anforderungen sogar tendenziell sinken könnten.

Wie sieht es im Hinblick auf die dafür notwendigen Fähigkeiten in den Unternehmen aus? Ist das erforderliche Wissen vorhanden?
Tommy Falkowski: Für die Umsetzung spezifischer Anwendungsfälle wird weiterhin das Wissen von Expertinnen und Experten erforderlich sein, aber der Umgang zum Beispiel mit intelligenten Chatbots ist in kürzester Zeit erlernt. Entscheidend ist, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Berührungsängste der neuen Technologie stellen und selbst ausprobieren, wozu moderne KI-Systeme in der Lage sind.

Daraus ergibt sich jedoch eine nicht zu unterschätzende Change-Thematik, da sich Aufgabenprofile schon in näherer Zukunft verschieben werden und die betroffenen Menschen natürlich eingebunden werden müssen, um zu erkennen, dass es weniger zu einer Wegrationalisierung als zu einer Befähigung hin zu neuen Aufgaben kommen wird.

Wie unterstützt das Kompetenznetzwerk it‘s OWL Unternehmen vor Ort, um den Einsatz von KI voranzutreiben?
Tommy Falkowski: Das Thema KI ist bei it’s OWL nicht neu, sondern vielmehr Teil unserer DNA. Seit Beginn, vor mehr als zehn Jahren, haben wir in vielen verschiedenen Projekten das Potenzial von maschinellem Lernen und KI erschlossen. In großen Teilen lag der Fokus hier aber auf dem Bereich der Produktion. Mit dem Aufkommen der generativen KI haben wir jedoch auch hier schon frühzeitig die Potenziale erkannt und das Thema ganz weit oben auf unsere Agenda gesetzt. Bei unserer letzten Strategietagung im März hat die Mehrheit der Unternehmen berichtet, dass mindestens bereits erste Pilotanwendungen auf den Weg gebracht wurden. Darüber hinaus klären wir in verschiedenen Formaten über die Anwendungsmöglichkeiten von KI in der Industrie auf und können natürlich auf ein starkes Partnernetzwerk setzen, das auch zahlreiche Befähigerinnen und Befähiger beinhaltet.

Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen, das zeigt, an welchen Lösungen Forschungseinrichtungen und Unternehmen arbeiten?
Tommy Falkowski: Ein sehr großes Thema ist das Wissensmanagement. In den Köpfen der Mitarbeiter und in Unmengen von verschiedenartigen Dokumenten steckt ein enormer Wissensschatz, der nur in den seltensten Fällen einfach erschlossen werden kann. Mit Hilfe von datenverarbeitender KI haben wir nun jedoch die Möglichkeit, dieses Wissen (teil-)automatisiert zu strukturieren und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Ein konkretes Beispiel: Montageberichte von Servicetechnikern liegen häufig schon digital zum Beispiel als PDF-Dateien vor. Aktuell wird das darin enthaltene Wissen aber nur selten beispielsweise für die Fehlerdiagnose genutzt. Mit Hilfe von KI können wir die Informationen aus diesen Dokumenten extrahieren und Zusammenhänge identifizieren, sodass der Diagnose- und Fehlerbehebungsprozess deutlich beschleunigt werden kann. Wie KI zum Beispiel das Produktmanagement, die Produktionsplanung oder die Logistik optimieren kann, erarbeiten Unternehmen und Forschungseinrichtungen derzeit in zahlreichen it’s OWL-Projekten.

KI in der Zukunft: Wie wird es weitergehen und was sind die Trends für die nächsten Jahre?
Tommy Falkowski: Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, da die Einschätzungen der Expertinnen und Experten hier zum Teil stark auseinandergehen. Sehr unwahrscheinlich ist jedoch, dass wir schon jetzt die Spitze der Leistungsfähigkeit von KI erreicht haben. Aber selbst, wenn die Systeme sich nicht verbessern würden, müssten wir deren Potenzial überhaupt erst einmal vollständig ausschöpfen. Ein bereits gut sichtbarer Trend ist die Multimodalität. Die Systeme werden immer mehr Eingabe- und auch Ausgabeformate aufweisen, sodass wir zunehmend sowohl per natürlicher Sprache, Bildern und auch Videos mit den Systemen interagieren können. Daraus ergibt sich ein riesiges Potenzial, da Menschen unabhängig von ihrer technischen Vorerfahrung befähigt werden, mit den Systemen zusammenzuarbeiten. Ein weiterer Trend ist die (humanoide) Robotik, die durch die jüngsten Durchbrüche im Bereich KI eine neue Dynamik erreicht hat. Auch diese Systeme werden mittelfristig Einzug in unseren beruflichen und privaten Alltag halten.

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