In der deutschen Startup-Welt sprechen wir gerne von Disruption, Chancengleichheit und Innovationsgeist. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt: Wenn es um Gründerinnen geht, ist das Land alles andere als fit für die Zukunft. Nur knapp 19 Prozent der Startups werden von Frauen gegründet – Tendenz sogar sinkend. 2023 waren es noch gut 20 Prozent. Wie kann das in einem Land passieren, das sich als Vorreiter für digitale Transformation und Gleichberechtigung sieht?
Kapital kennt kein Geschlecht – oder etwa doch?
Die Realität: Risikokapital fließt fast ausschließlich an Männer. 2024 sammelten rein männliche Gründerteams rund 6,2 Milliarden Euro ein, weibliche Teams dagegen gerade einmal 43 Millionen Euro. Das sind weniger als zwei Prozent des gesamten Kuchens. Die Gründe? Unbewusste Vorurteile von Investoren, die lieber in Gründer investieren, die ihnen ähnlich sehen, und ein Finanzierungsökosystem, das Diversität eher als Modewort denn als strategischen Vorteil begreift.
Branchenfokus und Rollenbilder: das unsichtbare Hindernis
Viele Gründerinnen setzen auf Branchen wie Bildung, Gesundheit oder Nachhaltigkeit – wichtig, gesellschaftlich relevant, aber traditionell weniger kapitalintensiv. Die „harten“ Tech- und FinTech-Segmente bleiben oft männlich dominiert. Hinzu kommt: Frauen gründen seltener direkt nach dem Studium. Nur 43 Prozent planen frühzeitig ihre Selbstständigkeit, während Männer hier doppelt so häufig unterwegs sind. Und ja, das Thema Vereinbarkeit ist real: 81 Prozent der Gründerinnen nennen Care-Arbeit und Familie als Hindernis, bei Männern sind es nur 60 Prozent.
Es tut sich was – aber es reicht noch nicht
Programme wie EXIST-Women, Netzwerke wie Encourageventures oder Events wie der Female Founders Summit sind wichtige Schritte. Sie sorgen für Mentoring, Sichtbarkeit und Zugang zu Kapital. Studien wie der Female Founders Monitor vom Bundesverband Deutscher Startups und der Bertelsmann Stiftung zeigen, dass wir endlich anfangen über strukturelle Probleme zu sprechen. Aber Hand aufs Herz: Es reicht nicht, wenn solche Initiativen nur kleine Inseln im Meer der männlich geprägten Startup-Welt sind.
Westfalen kann Vorreiter sein
Gerade hier in Westfalen, einer Region mit starker Mittelstands- und Innovationskultur, könnten wir noch stärker vorangehen: durch gezielte Förderung von Gründerinnen, durch mehr weibliche Business Angels und Investorinnen, durch Netzwerke, die Frauen systematisch einbinden. Das Potenzial ist riesig.
Fazit: Deutschland hat kein Gründerinnen-Defizit, weil es Frauen an Ideen oder Mut fehlt – es fehlt an Kapital, Netzwerken und fairen Chancen. Das sollten wir uns in einem Land, das um Fachkräfte und Innovation kämpft, schlicht nicht leisten.