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Wie Unternehmen von der Innovationskraft von Startups profitieren

Innovationsführerschaft und Wettbewerbsfähigkeit sind entscheidende Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens. Die Kooperation mit innovativen Startups kann etablierte Unternehmen dabei unterstützen, Innovationszyklen zu beschleunigen, neue Geschäftsmodelle zu etablieren oder Prozesse im Unternehmen effizienter zu gestalten. Das Venture Client-Modell ist eine vergleichsweise neue Form der Zusammenarbeit mit Startups. Im Spitzencluster it’s OWL beschäftigen sich gleich zwei Projekte mit diesem Thema.

Beim Venture Clienting schließen Unternehmen keine Kapitalbeteiligungen an Startups ab, wie es beispielsweise bei Corporate Venture Capital üblich ist. Stattdessen agieren sie als erste Kunden und setzen auf die Technologie oder Lösung der Startups in einem klar definierten Pilotprojekt. Der Vorteil: Die Kosten und die Dauer dieser Pilotprojekte sind gering, was Unternehmen ermöglicht, eine Vielzahl von Innovationen zu testen, ohne hohe finanzielle Risiken einzugehen.

Ziel des Venture Client-Modells ist es, neue Produkte, verbesserte Prozesse oder innovative Geschäftsmodelle für das Unternehmen zu ermöglichen. Das Startup wird dabei in einer kontrollierten Umgebung und unter realen Bedingungen getestet. Dafür wird dem Startup ein Budget zur Verfügung gestellt, welches dann in einem definierten Pilotprojekt dessen Technologie oder Lösung im Unternehmenskontext anwendet. Das Ergebnis ist ein Prototype oder Proof of Concept (PoC) anhand dessen der Mehrwert der Startup-Technologie validiert werden kann. Bei erfolgreicher Testung kann die Lösung in das Unternehmen integriert werden. Diese Vorgehensweise bietet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten – unabhängig von ihrer Größe oder Branche.

Im Rahmen des it’s OWL Forschungsprojekts inno.venture wird das Venture Client Modell wissenschaftlich analysiert und weiterentwickelt. Einen praxisnahen Einblick in die Funktionsweise des Modells bietet die it’s OWL-Initiative Stratosfare, bei der sich Unternehmen aus it’s OWL für Venture Clienting zusammengeschlossen haben, u.a. Miele, WAGO, Claas und Melitta. In Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen wird untersucht, wie innovative Technologien von Startups optimal in den Unternehmenskontext integriert werden können. Dadurch erhalten die Partnerunternehmen wertvolle Einblicke, um ihre Innovationsprozesse zu optimieren und zukunftsweisende Technologien erfolgreich einzusetzen.


Wie Venture Clienting funktioniert:
Ein Blick hinter die Kulissen moderner Innovation


Das Venture Client Modell zeichnet sich durch klar definierte Prozesse aus, die es ermöglichen die Zusammenarbeit mit Startups unternehmensweit zu skalieren. Durch diese strukturierte Herangehensweise werden Fachabteilungen befähigt, Venture Client-Projekte direkt in ihren Bereichen durchzuführen. Bei Bedarf werden die Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen bei den Pilotprojekten durch eine Person mit Erfahrung im Venture Clienting unterstützt. Bei it’s OWL kann dafür auf die Expertise des Stratosfare-Projektteams zurückgegriffen werden. Das Modell gliedert sich in mehrere klar definierte Phasen:

Request: Unternehmen identifizieren intern Problemstellungen oder Innovationsbedarfe, sogenannte Requests, und formulieren diese als Scouting-Auftrag. Beispielsweise könnte ein Unternehmen nach nachhaltigen Verpackungsmaterialien suchen. Dieser Auftrag wird dann genutzt, um ein geeignetes Startup zu finden.

Scouting: In dieser Phase wird gezielt nach Startups gesucht, die den Anforderungen des Unternehmens entsprechen. Dies kann durch eigenes Scouting durch Stratosfare oder Ausschreibungen auf Unternehmenswebsites geschehen. Die besten Startups kommen auf eine Longlist.

Match: In der dritten Phase wird die Longlist auf eine Shortlist reduziert. Das finale Startup wird oft in einem Pitch-Event ausgewählt, bei dem das Startup seine Lösung vorstellt. Die Entscheidung trifft das Unternehmen auf Basis klar definierter Evaluationskriterien.

Buy: Nach der Auswahl erfolgt die formale Beauftragung des Startups. Dazu werden juristische Vereinbarungen wie Geheimhaltungsvereinbarungen (NDAs) oder Kooperationsverträge abgeschlossen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung, der IT und dem Einkauf.

Pilot: Über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten wird das Pilotprojekt durchgeführt. Ziel ist es, einen Prototypen oder Proof of Concept (PoC) zu entwickeln, der das Potenzial der Startup-Technologie unter realen Bedingungen validiert.

Integrate: Nach erfolgreicher Testphase wird die Entscheidung über die langfristige Integration der Startup-Lösung getroffen. Möglichkeiten sind der direkte Einkauf der Lösung, eine Lizenzierung oder eine Investition in das Startup.


WAGO setzt auf Bilderkennung: Eine smarte Lösung für kleine Artikel


Die Anwendungsvielfalt des Venture Client-Modells zeigt sich in konkreten Pilotprojekten. Im Produktionsbereich etwa konnten nachrüstbare Sensoren an älteren Maschinen angebracht werden, um Ausfallzeiten über Predictive Maintenance-Funktionen zu reduzieren. In einem weiteren Beispiel aus der IT optimierte eine Software-Plattform das Lizenzmanagement, indem sie Transparenz über genutzte SaaS-Lösungen schuf und so Lizenzkosten einsparte. Bei Produkten kann in verschiedensten Suchfelder nach neuen Innovationen gesucht werden, wie beispielsweise neuartige Sensorik, nachhaltige Materialien oder komplementären digitalen Lösungen.

Ein konkretes Beispiel für den Erfolg des Venture Client Modells: WAGO hat zusammen mit dem Startup nyris eine Bilderkennungssoftware in die WAGO-App integriert, die es ermöglicht, über 30.000 Artikel von WAGO zu identifizieren. Foto: it’s OWL

Ein konkretes Beispiel für den Erfolg des Venture Client Modells ist die Zusammenarbeit zwischen WAGO und dem Startup nyris. WAGO suchte nach einer Lösung, um Produkte mittels Bilderkennung zu identifizieren, da bei kleinen Artikeln QR- oder Barcodes oft verblassen und unleserlich werden. In einem Pilotprojekt mit dem Startup nyris wurde die Bilderkennungssoftware erfolgreich getestet und anschließend in die WAGO-App integriert. Heute ermöglicht die App die zuverlässige Identifizierung von über 30.000 Artikeln – eine enorme Erleichterung für die Nutzer.

Win-Win-Szenario:
Warum Unternehmen und Startups vom Venture Client Modell profitieren
Das Venture Client Modell bietet eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Unternehmen profitieren von den geringen Kosten und dem überschaubaren Zeitrahmen der Pilotprojekte. Der größte Vorteil besteht darin, dass Unternehmen viele verschiedene Startup-Lösungen testen können, um danach eine Entscheidung über eine zukünftige Kooperation wie den Einkauf der Startup-Lösung oder eine Beteiligung an den Start-up zu treffen. Darüber hinaus lässt sich das Modell leicht skalieren, da es sich auf verschiedene Unternehmensbereiche und Branchen anwenden lässt.
Startups profitieren davon, weil sie ihre Lösungen in einem realen Unternehmensumfeld validieren und weiterentwickeln können. Da sie als Lieferant auftreten und keine Anteile abgeben müssen, erhalten sie wertvolle Referenzen und Einnahmen, die ihre Entwicklung finanzieren. Der direkte Zugang zu Fachwissen und Marktkenntnissen der Unternehmen bietet ihnen zusätzliche Vorteile.

Stolpersteine im Venture Client Modell
Das Venture Client Modell bietet Unternehmen die Möglichkeit, effizient Innovationen zu integrieren, aber auch hier treten Herausforderungen auf, die bewältigt werden müssen. Kulturelle Unterschiede zwischen Startup und Unternehmen können die Zusammenarbeit erschweren.
Zudem ist der Aufbau eines internen Netzwerks entscheidend, um relevante Ansprechpartner zu identifizieren und die Integration von Startups zu fördern. Hinzu kommt die Herausforderung, geeignete Bewertungskriterien zu finden und Startup-Lösungen nachhaltig in die Unternehmensstrukturen zu integrieren. Diese beispielhaft genannten Herausforderungen verdeutlichen, dass beim Venture Client- Modell Forschungsbedarf besteht. Im Forschungsprojekt inno.venture werden zusammen mit den Unternehmen Miele und WAGO Lösungen für solche Hürden erarbeitet, die direkt durch die Anwendung in den Unternehmen validiert werden

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