Roman-Bendix Lazarus hat eine Vision: Jeder Mensch sollte im Notfall einfach und schnell um Hilfe rufen können. Mit seiner selbst entwickelten Lazarus-App will er die Notrufmöglichkeiten verbessern. Jetzt steht die App kurz vor der Markteinführung. Der Gütersloher Gründer über das Konzept und seine Ziele.
m&w: Skizzieren Sie Ihre Geschäftsidee: Wie hat sich daraus die Leidenschaft entwickelt, ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Roman-Bendix Lazarus: „Entscheidend ist, dass mit meiner Vision die Menschen eine Verbesserung der Lebensqualität im Alltag erfahren.“
Lazarus: Eine persönliche Situation, nämlich der immer schlechter werdende Gesundheitszustand meiner mittlerweile betagten Eltern, hat mich auf die Idee gebracht, eine Notfall-App zu entwickeln, die leicht zu bedienen ist. Zwar gibt es in den App-Stores eine riesige Auswahl an Apps. Ich konnte jedoch keine ausfindig machen, die auch nur annähernd barrierefrei ist und somit behinderten Menschen im Notfall die nötige Sicherheit bietet. Die Sorge, dass meine Eltern im Notfall nicht schnell genug Hilfe bekommen, inspirierte mich, eine adäquate Lösung zu entwickeln. Im Zuge meiner Tüfteleien wurde mir erst bewusst, wie viele Menschen es doch gibt, die mit einer Behinderung leben müssen und wirklich arg in ihrer Freiheit und Lebensqualität eingeschränkt sind. Ein besonders hoher Anteil der Bevölkerung in Deutschland, nämlich rund 16.000.000 Menschen sind sprach- und hörgeschädigt. Diese Menschen haben im Notfall nur eine Chance: Wenn sie die Notruf Nummer 112 kontaktieren müssen, dann bleibt ihnen nichts Anderes übrig, als den Notruf über ein Faxgerät auszulösen!
Das war der Punkt, an dem ich beschloss: Die Notruf Landschaft in Deutschland muss verbessert werden! Die Vision, ein kostenloses Programm für Mobiltelefone oder Tablets auf den Markt zu bringen, hat mein Berufsleben komplett umgekrempelt.
m&w: Welche Lösungsmöglichkeiten bieten Sie und wo liegt der Nutzen?
Lazarus: Die App bietet einen mehrfachen Nutzen: Sie besticht durch eine einfache Bedienung und verfügt über ein übersichtliches Design und patentierte Lösungen. Über die Ziffernfolge 112 wird der Notruf direkt abgesetzt, d.h. der Telefonanruf erfolgt über dem herkömmlichen Weg in die Leitstelle, wie bei jedem bisherigen Notruf über die Wahl 112.
Besonderheit der App, neben dem konventionellen Telefonat besteht die Möglichkeit, via Live-Chat über die Kamera des Smartphones mit der Leitstelle zu kommunizieren. Die Leitstelle hat so die Möglichkeit, sich ein konkretes Bild von der Lage der Notfallsituation bzw. des Verletzten/Erkrankten zu machen. Alternativ kann der Hilfesuchende per Textnachricht mit der Leitstelle in Kontakt treten. Das ist vor allem für Sprach- und Hörgeschädigte ein immenser Vorteil. Viele Menschen mit einer solchen Einschränkung trauen sich aufgrund ihrer Erkrankung gar nicht mehr vor die Haustür. Das soll sich durch die Möglichkeiten der App wieder ändern. Ein weiterer Vorteil: Barrierefreiheit durch Audio-, Video- und Chat-Möglichkeit. Das schafft eine schnelle Kommunikation, ohne viele Worte zu verlieren. Alleinstellungsmerkmal der App ist, dass mit Betätigung des Notrufs ein Countdown erfolgt. So werden die sogenannten Hosentaschenanrufe vermieden.
Nutzer der App haben die Möglichkeit persönliche Daten wie Gewicht, Größe und Alter zu speichern. Vorteil: Der Disponent in der Leitstelle kann bereits nötige Maßnahmen veranlassen, wenn er im Vorfeld über Kenntnisse verfügt, dass zum Beispiel ein Notrufender möglicherweise adipös ist. Die Smartphone-App übermittelt außerdem den Standort des Notrufenden, ganz gleich, ob die Person sich an einem Strandabschnitt, mitten im Wald oder in einer unbekannten Stadt befindet. Das spart Zeit den genauen Standort manuell herauszufinden. Die App regelt das ganz allein. Der Notruf und die App ist für jeden Nutzer selbstverständlich kostenfrei, die Bedienung so simpel, dass jeder Grundschüler oder auch Senior im hohen Alter die App verstehen kann. Zusätzlich zu den bisher hinterlegten Spracheinstellungen (Deutsch, Englisch, Französisch, Portugiesisch) sollen noch weitere Sprachen eingepflegt werden. Wenn der Notruf zum Beispiel auf Türkisch abgesetzt wird, erhält die Leitstelle sofort die passende Übersetzung.
Mit all diesen Möglichkeiten ergibt sich für alle Beteiligten eine WIN-WIN-Situation. Zum einen ergeben sich in der Leitstelle verbesserte Abläufe und wertvolle Zeiteinsparung – Minuten können entscheidend sein – zum anderen wird der Kostenträger, z.B. die Krankenkasse, durch die gezielten und verbesserten Einsätze finanziell entlastet und nicht zuletzt der Nutzer der App, dem ein weitaus fortschrittlicherer und barrierefreier Notruf gewährleistet wird.
m&w: Was bedeutet für Sie Innovation?
Für mich bedeutet Innovation die ständige Weiterentwicklung einer Idee, durch Anwendung neuer und weiterentwickelter Techniken, eine geplante und kontrollierte Veränderung in einem sozialen System zu schaffen. Zufrieden bin ich erst, wenn meine Idee tatsächlich erfolgreich Anwendung findet und den Markt erobert hat. Das Wichtigste hierbei ist, dass nicht ausschließlich der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht sondern, dass mit meiner Vision tatsächlich den Menschen, die gesundheitlich bisher benachteiligt waren, zu einer Verbesserung der Lebensqualität im Alltag verholfen werden kann.
m&w: Hatten Sie Probleme mit der Finanzierung?
Lazarus: Die gesamte Entwicklung ist komplett eigenfinanziert.
m&w: Falls Sie schon mit Kooperationspartnern zusammenarbeiten, wie funktioniert die Kooperation?
Lazarus: Wir sind sehr stolz darauf, dass wir bereits einige Kooperationen mit namhaften Unternehmen bzw. Institutionen eingehen konnten. Dazu gehören u.a. die Björn Steiger Stiftung, die Verkehrswacht Gütersloh und der FSV – Gütersloh 2009. Unterstützen heißt nicht immer gleich, dass es sich um finanzielle Unterstützung handelt. Gegenseitige Nutzungsrechte an Firmenlogos für Print- und Medienwerbung sowie die Planung gemeinsamer Projekte sind ebenso wertvoll. Aber natürlich sagen wir nicht „Nein“, wenn uns ein Kooperationspartner auch mit finanziellen Mitteln weiterhelfen möchte. Denn eins ist klar, eine Entwicklung in dieser Größenordnung verschlingt natürlich auch eine imposante Summe an Geldern.
m&w: Sind Sie mit der bisherigen Entwicklung zufrieden – und was war für Ihr Unternehmen bisher der größte Erfolg?
Lazarus: Zurzeit könnte es nicht besser laufen! Unsere ganzen Bemühungen der letzten zwei Jahre scheinen sich nun endlich auszuzahlen. Wir stehen mit sehr interessanten Projektpartnern in Kontakt, unsere App steht kurz vor der Markteinführung. Jüngst haben wir im Innenministerium in Düsseldorf unsere App vorgestellt. Hier scheint sich auch etwas zu bewegen, wir sind zuversichtlich.
m&w: Wo geht die Reise hin und was werden Ihre größten Herausforderungen in den nächsten zwölf Monaten voraussichtlich sein?
Lazarus: Die nächsten Monate werden auf jeden Fall spannend! Wir haben einiges in der Pipeline und die größte Herausforderung wird wohl sein, all die spannenden Projekte zu realisieren.